Mietrecht: Beleidigung der Vermieterseite als "talentfreie Abrissbirne" berechtigt nicht grundsätzlich zur fristlosen Kündigung
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Zivilrecht
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von: Helmer Tieben

Amtsgericht Charlottenburg, 30.01.2015, Az.: 216 C 461/14

Grundsätzlich gilt, dass Beleidigungen, üble Nachrede und Bedrohungen des Vermieters durch den Mieter Vertragsverletzungen darstellen, welche zur außerordentlichen und/oder ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses führen können.

Bei jeder Kündigung ist allerdings vorab zu prüfen, ob die Vertragsverletzungen des Mieters einen gewissen Schweregrad erreichen und die Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis führt, dass die Fortsetzung des Mietvertrags unzumutbar ist.

Welche Rechte bei Störung des Hausfriedens

In dem hier besprochenen Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg, hatte der Mieter Mitarbeiter der Vermieterin zwar unstreitig beleidigt, da diese Beleidigungen aber minder schwer waren und den Beleidigungen zudem ein Sachverhalt vorausgegangen war, bei welchem auch die Vermieterin schuldhaft gehandelt hatte, waren die ausgesprochenen Kündigungen dennoch unwirksam.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Die Klägerin war Vermieterin, die Beklagten Mieter einer Mietswohnung in einem Mehrfamilienhaus.

Mieter bezeichneten Verwalter als faul

Am 19.08.2014 bezeichneten die Beklagten den bei der Klägerin angestellten und für ihre Wohnanlage zuständigen Objektbetreuer in einem an die Klägerin gerichtetem Faxschreiben als „faul“.

Auf Facebook bezeichneten die Miete die Vermieterin als taltentfreie Abrissbirne

Von einer von der Klägerin unterhaltenen Homepage führt ein Link zu einer Facebook-Seite, auf der Mieter der Klägerin Bewertungen abgeben konnten. Auf der Facebook-Seite befanden sich zahlreiche, zum Teil heftige Beschwerden anderer Mieter. Nach einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Klägerin bezeichneten die Beklagten diese Mitarbeiterin der Klägerin auf der Facebook-Seite als „talentfreie Abrissbirne“.

Vermieterin kündigte fristlos, hilfsweise fristgemäß

Mit Schreiben vom 01.09.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit den Beklagten daraufhin fristlos und hilfsweise ordentlich und reichte, als die Beklagten die Wohnung nicht räumten, Räumungsklage beim Amtsgericht Charlottenburg ein.

Die Beklagten behaupten, sie hätten trotz ihrer – unstreitigen – mehrmaligen Beschwerden wegen des von einer Gartenanlage ausgehenden Lärms keine Tätigkeiten des Objektbetreuers vor Ort feststellen können. Zudem hätte die Mitarbeiterin der Klägerin sie vor dem Facebook-Eintrag in einem emotional aufgeladenen Telefongespräch angeschrien.

Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg:

Das Amtsgericht Charlottenburg urteilte nun, dass die Klägerin von den Beklagten die Herausgabe der Wohnung dennoch nicht verlangen könne, da das streitgegenständliche Mietverhältnis weder durch die fristlose noch die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet worden sei.

Amtsgericht sah Beleidigungen als nicht erheblich genug an

Weder die Bezeichnung der Mitarbeiterin der Klägerin als „talentfreie Abrissbirne“ noch die Bezeichnung des Objektbetreuers als „faul“ habe die Klägerin dazu berechtigt, das Mietverhältnis fristlos gemäß §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB zu kündigen.

Nach § 543 Abs. 1 BGB könne jede Vertragspartei das Mietverhältnis außerordentlich fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Ein solcher würde vorliegen, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne.

Dies sei nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere dann der Fall, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzen würde, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährden würde.

Eine Beleidigung sei eine Straftat und könne insoweit ebenfalls ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund sein, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner, verübt werde. Sie sei der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung, wobei eine bloße Unhöflichkeit aber nicht genügen würde.

Vorliegend könne das Gericht letztlich offen lassen, ob die beiden Bezeichnungen der Mitarbeiter der Klägerin den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfüllen würden. Denn jedenfalls wären sie im Spektrum der denkbaren Beleidigungen als eher weniger schwerwiegend einzuschätzen.

Vermieterin hätte vorher abmahnen müssen

Daher wäre vorliegend eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Bestünde der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so sei die Kündigung nach § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gelte nicht, wenn die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt sei, § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB.

Hierbei sei anerkannt, dass dies bei schweren Beleidigungen regelmäßig gegeben sei. Etwas anderes gelte jedoch im Fall von einmaligen Beleidigungen, die für sich betrachtet kein besonderes Gewicht hätten und sich die Unzumutbarkeit erst aus deren Wiederholung ergebe.

Hier handele es sich zwar um zwei einzelne Äußerungen über verschiedene Personen gegenüber verschiedenen Adressaten. Letztlich stünden beide Äußerungen aber in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang und würden auch auf denselben Sachverhalt zurückgehen, nämlich den von den Beklagten als sehr störend empfundenen Lärm von der Gartenanlage.

Die Bezeichnung „faul“ habe dabei zudem einen – von Seiten der Beklagten als zutreffend empfundenen und von der Klägerin bestrittenen – Tatsachenkern. Auch würde die Bezeichnung „talentfreie Abrissbirne“ letztlich nicht hauptsächlich auf eine Herabwürdigung oder auf die Kundgabe der Missachtung der Mitarbeiterin zurückgehen; auch in dieser Äußerungen würde ein – von den Beklagten als wahr empfundener – Zusammenhang mit einem tatsächlichen Vorgang stehen, dem Gespräch mit der Mitarbeiterin.

Das Gericht würde dabei nicht verkennen, dass entsprechende Äußerungen grundsätzlich durchaus zu einer fristlosen Kündigung berechtigen könnten; im vorliegenden Fall würde eine Fortführung des Vertragsverhältnisses aber erst bei einer Wiederholung ähnlicher Äußerungen nach einer vorherigen Abmahnung unzumutbar sein.

Das Mietverhältnis sei auch nicht aufgrund der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung beendet worden. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung würden nicht vorliegen.

Gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 könne der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses habe. Ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses würde insbesondere vorliegen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB würde zudem ein schuldhaftes Verhalten der Vermieter voraussetzen, wobei das Maß des Verschuldens in enger Beziehung zum Erheblichkeitskriterium stünde.

Somit läge keine erhebliche Pflichtverletzung der Mieter vor

Eine entsprechende schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung würde hier ebenfalls nicht vorliegen.

Ausgehend davon, dass die Bezeichnungen allenfalls Beleidigungen im unteren Spektrum der denkbaren Beleidigungen darstellen würden, würden die Äußerungen der Beklagten keine „nicht unerhebliche“ Pflichtverletzung darstellen.

Zu berücksichtigen sei dabei zum einen wiederum, dass den Äußerungen – zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitige und von den Beklagten als sehr störend empfundene – Lärmbelästigungen vorausgegangen seien.

Zum anderen hätten die Beklagten im Hinblick auf die zahlreichen, zum Teil in sehr heftigem Ton geführten, Beschwerden auf der Facebook-Seite der Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin entsprechende Äußerungen nicht als kündigungsrelevant ansehen würde. Dies gelte umso mehr, als sich zumindest eine von den Beklagten zitierten Äußerungen auch auf einen konkreten Mitarbeiter der Klägerin beziehen würde.

Quelle: Amtsgericht Charlottenburg

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