Ausländerrecht: Visum zum Zwecke des Ehegattennachzugs und Anforderungen an den Nachweis der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - MTH Rechtsanwälte Köln
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Ausländerrecht
Veröffentlicht:
von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht Berlin, 01.12.2010, Az.: 34 K 257.09 V

Wer als Ausländer einen deutschen Ehegatten hat, kann ein Visum zum Ehegattennachzug beantragen, um nach Deutschland einzureisen. Gleiches gilt, wenn man ein minderjähriges deutsches Kind im Bundesgebiet hat. Voraussetzung für jede Einreise ist jedoch grundsätzlich immer, dass kein Ausweisungsinteresse beim Ausländer besteht, dieser also die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht bedroht. Dies ist vor allem der Fall, wenn der Ausländer terroristische Gruppen unterstützt. Hierfür müssen jedoch auch genügend Beweise vorliegen, allein auf Vermutungen kann man sich nicht stützen.

Im vorliegenden Fall hatte ein algerischer Staatsangehöriger ein Visum zum Ehegattennachzug zu seiner deutschen Frau und ihrem gemeinsamen Kind beantragt. Das Visum wurde auf Grund von angeblicher Unterstützung terroristischer Gruppen von der Botschaft in Algier abgelehnt. Nach erhobener Klage urteilte das Verwaltungsgericht Berlin jedoch zugunsten des Klägers, da nicht ausreichend Beweise für eine solche tatsächliche Unterstützung vorlagen.

Sachverhalt: Ein algerischer Kläger begehrte die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, namentlich zu seiner in Deutschland lebenden deutsch-lybischen Ehefrau und dessen gemeinsames Kind, welches 2010 in Hamburg geboren wurde.

Der Kläger war im Juni 2000 mit einem bis zum 2. Juli 2000 gültigen deutschen Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auch nach Ablauf des Visums hielt er sich weiterhin im Bundesgebiet auf.

Am 30. September 2005 wurde eine 1-Zimmerwohnung in Hamburg durchsucht, welche von einem Herrn F. gemietet war. Dabei hatte man auf den sich im Bundesgebiet illegal aufhaltenden Algerier S. angetroffen. In der Wohnung selbst befanden sich zwei Schlafstätten. Zudem fand man eine gefälschte französische Identitätskarte mit dem Bild des Klägers, welche auf den Namen A. ausgestellt wurde. Bei einer polizeilichen Überprüfung am 21. Dezember 2005 hatte der Kläger sich mit einem Sozialversicherungsausweis mit seinem Bild ausgewiesen, welcher auf den Namen H. ausgestellt war, und vorläufig festgenommen. Er trug bei der Festnahme noch weitere Dokumente bei sich, die sämtlich auf den Namen B. ausgestellt waren.

Am 22. Dezember 2005 fand die Vernehmung des Klägers beim LKA statt, in der er angab, dass er in Algerien als Techniker ausgebildet worden war. Im Juni 2000 war er für ein Seminar der Firma Metabo nach Deutschland gekommen und hatte sich danach weiterhin hier aufgehalten. Sein Pass sei in Frankreich. Zusammen mit S. hatte er zwei Wochen lang gewohnt und 300,-€ gezahlt. Die gefälschte französische Identitätskarte hatte er sich in Hamburg besorgt, um arbeiten zu können, jedoch ohne Erfolg. Die auf den Namen B. lautenden Dokumente hatte er seit ca. fünf Monaten. Damit arbeitete er auf einer Baustelle. B. hatte ihm die Dokumente gegeben, um ihm zu helfen.

Am 6. Januar 2006 wurde der Kläger wegen unerlaubten Aufenthalts und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt und sofort aus der Untersuchungshaft entlassen. Ab dem 23. Februar 2006 war er in Lübeck gemeldet. Am 28. Februar 2006 stellte er einen Asylantrag, der durch bestandskräftigen Bescheid vom 31. März 2006 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Im Mai 2006 erklärte er sich zur freiwilligen Ausreise bereit, ab dem 21. Juni 2006 war sein Aufenthalt unbekannt.

Am 21. Juli 2006 heiratete der Kläger in Malmö seine jetzige Ehefrau. Hierfür legte er seinen algerischen Reisepass vor, welcher 1997 ausgestellt wurde und am 8. Juni 2006 für ein Jahr verlängert wurde. Ab August 2006 waren der Kläger und seine Ehefrau unter einer gemeinsamen Anschrift in Hamburg gemeldet. Am 11. August 2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, welchen die Ausländerbehörde mit Bescheid vom 2. Oktober 2006 ablehnte. Am 27. Oktober 2006 wurde der Kläger nach Algerien abgeschoben. Daraufhin stellte er am 29. November 2006 einen Antrag auf ein Visum für den Ehegattennachzug, welchen die deutsche Botschaft in Algier mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 auf Grund der Sperrwirkung der Abschiebung sowie wegen erheblicher Bedenken der deutschen Sicherheitsbehörden ablehnte.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2007 befristete die Ausländerbehörde die Abschiebung auf den 30. Juni 2008. Am 7. Juli 2008 stellte der Kläger einen weiteren Visumsantrag und bestand am 24. April 2008 den deutschen Sprachtest im Goethe-Institut Algier mit „befriedigend“.

Am 19. Januar 2009 sprach sich die Anti-Terrorismus-Koordinationsgruppe gegen eine Visumserteilung aus, da Sicherheitsbedenken beim Kläger bestanden. Im SIS hatte man den Kläger bis zum 2. November 2009 zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben, weil auf Grund von Erkenntnissen der Hamburger Innenbehörde davon auszugehen war, dass er eine Gefahr für die öffentliche bzw. nationale Sicherheit darstelle. Mit Bescheid vom 22. Januar 2009 lehnte die Botschaft daraufhin das Visum wegen Sicherheitsbedenken ab. Auf die Remonstration des Klägers hin hielt sie mit Bescheid vom 23. Juni 2009 an der Ablehnung fest, da Behörden der inneren Sicherheit Bedenken gegen seine Einreise hatten, so dass nach § 5 Abs. 4 AufenthG (Bestehen eines Ausweisungsinteresses) das Visum zu versagen war.

Am 9. Juli 2009 erhob der Kläger Klage und erläuterte, dass er mit seiner Ehefrau in Deutschland in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben und das Sorgerecht für sein Kind ausüben wollte. In Deutschland hatte er sich nie politisch, terroristisch oder kriminell betätigt und hatte dies auch in Zukunft nicht vor. Auch hatte er der Gewalt befürwortenden Jihadistenszene in Hamburg oder dem engeren Umfeld des Mounir El Motassadeq nicht angehört. Auch zu F., dem Mieter der Wohnung, hatte er keinen engen Kontakt gehabt. So hatte er El Motassadeq und N., wie viele andere auch, zu Gebeten in der Moschee getroffen, dabei hatte es sich jedoch um zufällige und belanglose Kontakte gehandelt. Die Wohnmöglichkeit bei N. hatte ihm S. vermittelt, an welchen er auch seinen Mietbeitrag von 140,- € bezahlt hatte. F. selbst befand sich in Tunesien, weshalb er diesen nie in der Wohnung getroffen hatte. Er wusste nicht, ob N. der Terroristenszene zugehörte oder an irgendeiner Hochzeit teilgenommen hatte. Auch habe er die Anschläge vom 11. September 2001 nie begrüßt. Er, seine Frau und deren Familie lehnten Gewalt und derartige Anschläge einhellig ab.

Der Anspruch scheiterte an § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, da Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 AufenthG bestanden. Seit Ende 2004 war der Kläger den deutschen Sicherheitsbehörden als Angehöriger der Jihadistenszene in Hamburg bekannt. Er gehörte zum engeren Umfeld des Mounir El Motassadeq, der wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Auch hatte er sehr enge Kontakte zu F. gehabt, da dieser den in Deutschland illegal aufhältigen Kläger nicht ohne intensive Bekanntschaft und Vertrautheit in seine Wohnung aufgenommen hätte und dadurch gegen Rechtsnormen verstoßen hätte. N. hatte engste Verbindungen zur Gewalt bereiten islamistischen Szene in Hamburg, darunter auch zu El Motassadeq, unterhalten. Im September 2005 wurde er ausgewiesen, weil er bei einer sicherheitsrechtlichen Befragung seine Teilnahme an der Hochzeitsfeier von Said Bahaji am 9. Oktober 1999 verschwiegen hatte. Dieser wurde wegen der Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 mit Haftbefehl von der Polizei gesucht. Da der Kläger zudem durch das Bestreiten enger Kontakte zu N. falsche Angaben zur Erlangung des Visums gemacht hatte, stand der Visumserteilung auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AufenthG entgegen. Des Weiteren hatte der Kläger zum vierten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 diese begrüßt und auch als notwendige Gegenschläge gegen die USA bezeichnet. Dies ergab sich aus einem Deckblattbericht vom 10. September 2005, welcher von einem kleinen Personenkreis in Hamburg berichtete, zu dem auch der Kläger gehörte, und der sich oberflächlich über die Anschläge vom 11. September 2001 unterhielt. Die an der Unterhaltung beteiligten Personen hatten die Anschläge begrüßt und als notwendige Gegenschläge gegen die USA bewertet. Auch nach sicherheitsbehördlicher Einschätzung vom September 2009 gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger aus der islamistischen Szene dauerhaft gelöst hatte. Vielmehr bestand der Verdacht, dass der Kläger bei Wiedereinreise die Unterstützungshandlungen fortsetzen werde. Auch hatte man erhebliche Zweifel an dem Willen des Klägers zur ehelichen Lebensgemeinschaft.

Die Anti-Terrorismus-Koordinationsgruppe (Beigeladene) ging davon aus, dass die Ehe nur zum Zwecke eines Aufenthaltsrecht für den Kläger geschlossen wurde. Dies war aus der aufenthaltsrechtlichen Vorgeschichte des Klägers herzuleiten, da er in Deutschland bereits jahrelang illegal gelebt hatte, zur Aufenthaltssicherung einen Asylantrag gestellt und schließlich in Schweden geheiratet hatte. Zudem hatte er nach eigenen Angaben schon nach nur einem Treffen mit seiner Frau von Heirat gesprochen. Ferner war auffällig, dass das angebliche Kennenlernen zeitlich mit dem Bekanntwerden des Klägers bei den Sicherheitsbehörden zusammenfiel. Die Kennenlerngeschichte an sich schien auch nicht sehr überzeugend.

Am 29. Oktober 2009 fand auf Anregung des Gerichts eine zeitgleiche Befragung des Klägers und seiner Ehefrau statt.

Verwaltungsgericht Berlin: Das Verwaltungsgericht Berlin beschloss, dass die zulässige Klage auch begründet war. Die Versagung des begehrten Visums war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf die Erteilung des Visums zum Familiennachzug hatte (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Für die Erteilung eines (nationalen) Visums für das Bundesgebiet richtet man sich nach den Vorschriften für die Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnis (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Rechtsgrundlage des klägerischen Anspruchs war somit § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 AufenthG. Demnach ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Ehemann einer Deutschen zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet (Nr. 1) sowie dem ausländischen Elternteil einer minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge (Nr. 3) zu erteilen, wenn die Ehefrau und das Kind – wie im vorliegenden Fall – ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben.

Jedoch wurde die Absicht des Klägers, mit seiner Ehefrau eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, von der deutschen Botschaft und der Anti-Terrorismus-Koordinationsgruppe bezweifelt. So hegte zwar auch das Gericht Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Kennenlerngeschichte der beiden Ehegatten, jedoch gab es anhand der übereinstimmenden Angaben bei der getrennten Ehegattenbefragung, des langen praktizierten ehelichen Zusammenlebens in Algerien sowie der Geburt ihres gemeinsamen Kindes keine Zweifel daran, dass beide Seiten den Willen führten, auch zukünftig als Eheleute zusammen zu leben. Auch die Absicht des Klägers, elterliche Personensorge für sein neu geborenes deutsches Kind ausüben zu wollen, wurde nicht in Frage gestellt. So hatte der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).

Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1a bis 4 AufenthG hatte der Kläger erfüllt. Insbesondere konnte das Visum, im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung, nicht nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG versagt werden.

Nach dieser Vorschrift muss das Visum versagt werden, wenn einer der Ausweisungsgründe aus § 54 Nr. 5 oder Nr. 5a AufenthG vorliegt. Die deutsche Botschaft in Algerien hatte § 54 Nr. 5 AufenthG als erfüllt angesehen. Demnach ist eine Ausweisung zu erfolgen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung dabei nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.

Zu den damit normierten tatbestandlichen Voraussetzungen hatte die Kammer mit Urteil vom 27. April 2009 allgemein ausgeführt, dass zur Erfüllung dieser Voraussetzungen eine auf Tatsachen gestützte entsprechende Schlussfolgerung, mithin bereits der tatsachengestützte Verdacht auf eine Mitgliedschaft oder Unterstützung, ausreichte (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 16.02.2006 -AN 5 K 05.00634-, juris). Die ledigliche Vermutung, dass der Ausländer in terroristische Aktivitäten verwickelt sein könnte, genügte hierfür nicht aus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 09.11.2005, NVwZ 2006, 1306). Zudem müssten die Tatsachen, welche zur Begründung der entsprechenden Ausweisung herangezogen wurden, belegt werden, wenn der Ausländer diese bestreitet. Auch müssten die belegbaren Tatsachen einzeln oder in ihrer Gesamtschau die Schlussfolgerung auf die Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen rechtfertigen. Dies ist vor allem zu verneinen, wenn es für sie nach den Umständen des Einzelfalls eine andere plausible Begründung gibt (vgl. BayVGH, a.a.O.).

Ausgehend davon war zunächst festzustellen, dass die von der Beklagten herangezogenen Tatsachen teilweise gar nicht oder jedenfalls nicht hinreichend belegt wurden.

So hatte die Beklagte ihre Behauptung, dass der Kläger der Jihadistenszene in Hamburg sowie dem engeren Umfeld des Mounir El Motassadeq angehörte, nachdem der Kläger dies bestritten hatte, weder substantiiert noch durch Tatsachen belegt.

Ferner hatte die Beklagte behauptet, der Kläger habe zum vierten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 diese begrüßt und als notwendige Gegenschläge gegen die USA bezeichnet. Nach Bestreiten durch den Kläger hatte die Beklagte als Beleg auf ein „Deckblattbericht“ verwiesen, der eine vom 10. September 2005 datierende Meldung enthielt. Hieraus ließ sich jedoch nicht entnehmen, an welchem Ort in Hamburg, gegenüber welchen Personen und mit welchen Worten sich der Kläger am 10. September 2005 – oder auch früher – konkret geäußert haben soll. Auch war damit nicht geklärt, ob der Kläger sich überhaupt dazu in verbaler oder anderweitiger Art geäußert hatte. Aus der Meldung erschien auch möglich, dass der Informant ein fehlendes Widersprechen bei der „oberflächlichen“ Berührung dieses Themas als positives Einverständnis gedeutet hatte.

Ferner hatte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger eine intensive Bekanntschaft und enge Vertrauensbeziehung zu F. unterhalten hatte. Für diese rechtfertigte die aus der Moschee oberflächliche Bekanntschaft zwischen den beiden die Ablehnung des Visums auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AufenthG. Jedoch fehlten auch hierfür ausreichend Belege. Das einzige, dem alle einig waren, war dass der Kläger Ende September 2005 nach eigenen Angaben zwei Wochen lang in der Wohnung des N. gewohnt und Miete gezahlt hatte, und dass ihm gehörende Unterlagen in der Wohnung gefunden wurden. Weiter hatte der Kläger zur Erklärung seines dortigen Aufenthalts erklärt, dass ihm die Wohnung von S. vermittelt wurde, an welchen er Miete zahlte, und dass er N. in der Wohnung nie begegnete war, da dieser sich in Tunesien aufhielt. Letzteres konnte auch anhand der Ausländerakte des N. bestätigt werden. Diese enthielt eine Telefax-Mitteilung des LKA Hamburg an die dortige Innenbehörde vom 22. September 2005, welche besagte, dass N. am 25. Juli 2005 über Italien nach Tunesien ausgereist war und keine Angaben darüber bekannt waren, ob und wann er zurückkehren würde.

Die einzige objektive zu treffende Feststellung war somit nur, dass N. seine Wohnung über eine Vertrauensperson untervermietet hatte und der Kläger kurzzeitig als einer von mindestens zwei Untermietern in der Wohnung gewohnt hatte. Eine enge Freundschaft oder besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Kläger und F. konnte anhand dessen nicht festgestellt werden. Im Gegenteil, die Untervermietung sei ein weitverbreiteter Vorgang, bei dem nicht nur enge Freunde, sondern auch Fremde berücksichtigt werden, um die eigene Wohnung bei längerer Abwesenheit nicht aufgeben zu müssen. Nur weil N. hierbei auch illegal aufhältige zur Untervermietung akzeptiere, sprach dies nicht für eine enge Verbundenheit zwischen N. und dem Kläger. Vielmehr konnte dabei seitens des N. oder seiner Vertrauensperson auch Gedankenlosigkeit, eine gleichgültige Einstellung gegenüber der deutschen Rechtsordnung oder falsch verstandene Solidarität unter arabischen „Landsleuten“ eine maßgebliche Rolle gespielt haben.

Im Übrigen war die Ablehnung des Visums auch deshalb nicht rechtmäßig, da die Botschaft die fraglichen Tatsachen an keine konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers zugunsten Vereinigungen, welche den Terrorismus unterstützten, anknüpfen konnte.

Als Unterstützen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005, NVwZ 2005, 1091, 1092 f. m.w.Nachw. [zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG]) jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei allerdings ebenso wenig an wie auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützung, jedoch muss zumindest die entsprechende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Allein oberflächliche soziale Kontakte zwischen Personen auf Grund der Zugehörigkeit zu derselben Moscheegemeinde sowie das vorübergehende Nutzen einer Wohnmöglichkeit erfüllten jedoch weder die vorgenannten Kriterien einer Unterstützungshandlung noch rechtfertigen sie ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Anhaltspunkte die Schlussfolgerung auf derartige Unterstützungshandlungen (zur Ablehnung einer „Kontaktschuld“ vgl. BayVGH, Urt. v. 09.05.2005, VGHE 58, 136, 148 f.). Ob eine befürwortende Äußerung zu den Terroranschlägen vom 11. September 2010 als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG zu bewerten war oder zumindest die Schlussfolgerung auf entsprechende Unterstützungshandlungen rechtfertigte, hing nach Auffassung der Kammer sowohl von dem konkreten Inhalt und dem Kontext der Äußerung als auch deren Empfängerkreis ab (vgl. BayVGH, Beschl. v. 25.10.2005, NVwZ 2006, 227, 228. Vgl. ferner z.B. die Bezeichnung der Terroranschläge vom 11. September 2010 als das „größte Kunstwerk, was es je gegeben hat“, durch den bekannten Komponisten Karlheinz Stockhausen in einer Pressekonferenz in Hamburg am 16. September 2001). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005, a.a.O., 1094) ist in diesem Zusammenhang bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung auch darauf zu achten, dass in das Recht auf freie Meinungsäußerung, welches Ausländern grundsätzlich in gleicher Weise wie Deutschen zusteht, nicht unverhältnismäßig eingegriffen wird.

Jedoch fehlte es in der Mitteilung des Deckblattberichts, ob überhaupt und gegebenenfalls mit welchen Worten, in welchem Zusammenhang und in Anwesenheit welcher Personen sich der Kläger zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geäußert hat. Zudem war nicht feststellbar, welche Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, eine solche Äußerung des Klägers nach den konkreten Umständen potentiell förderlich gewesen sein konnte.

Quelle: Verwaltungsgericht Berlin

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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