VerwaltungsgerichtDüsseldorf, 24.08.2017, Az.: 2 L 3279/17
Nach Art. 33 Abs. 1, 2 GG hat jeder Deutsche in jedem Bundesland die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Darüber hinaus hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.
Hieraus lässt sich erkennen, dass das Grundgesetz im Berufsbeamtentum eine Institution sieht, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll (BVerfGE 7, 162).
Die Befähigung zielt hierbei auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung ab. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach. Eignung erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (BVerfGE 139, 19, 49). Hierbei sind bei Polizeidienstes von Nordrhein-Westfalen unter anderem die persönlichen Eignungen zu verstehen unter die auch Tätowierungen fallen. Denn geschützt werden soll im Polizeidienst die Neutralitäts- und Repräsentanzfunktion der Uniform des Polizeivollzugsbeamten.
1. Hintergrund des Falls: Tätowierung als Ablehnungsgrund
Der Antragsteller bewarb sich 2017 für die Polizeiausbildung in Nordrhein-Westfalen. Aufgrund einer großflächigen Tätowierung auf seinem Unterarm – ein Löwenkopf mit den Maßen von etwa 20×14 Zentimetern – wurde er abgelehnt. Das Land Nordrhein-Westfalen berief sich auf einen Erlass des Innenministeriums, der besagt, dass sichtbare und großflächige Tätowierungen einen „absoluten Eignungsmangel“ für Polizeibeamte darstellen. Der Erlass zielt darauf ab, dass die Autorität und das Ansehen der Polizei durch solche äußeren Erscheinungen nicht beeinträchtigt werden. Nach Ansicht des Landes wird Bewerbern mit auffälligen Tätowierungen in der Gesellschaft weniger Respekt entgegengebracht, was ihre Tauglichkeit für den Polizeidienst beeinträchtigen könnte.
2. Antrag des Bewerbers auf einstweiligen Rechtsschutz
Der Antragsteller reichte daraufhin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ein, da er weiterhin an der Polizeiausbildung teilnehmen wollte. Das Ziel des Antrags war es, im laufenden Auswahlverfahren nicht benachteiligt zu werden, bis ein endgültiges Urteil in der Hauptsache vorliegt. Da die Polizeiausbildung am 1. September 2017 beginnen sollte, hätte eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren dazu geführt, dass der Antragsteller nicht mehr rechtzeitig zugelassen werden könnte.
3. Zulässigkeit des Antrags und Vorwegnahme der Hauptsache
Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Antrag zulässig sei, obwohl es sich um eine Vorwegnahme der Hauptsache handelte. Eine solche Vorwegnahme ist ausnahmsweise zulässig, wenn dem Antragsteller andernfalls unzumutbare Nachteile drohen und er im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolgreich wäre. Da der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung nicht rechtzeitig an der Ausbildung teilnehmen könnte und ihm dadurch irreversible Nachteile entstünden, wurde der Antrag zugelassen.
4. Begründetheit des Antrags: Keine ausreichenden Gründe für Ablehnung
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Antragsteller nicht allein aufgrund der Größe seiner Tätowierung abgelehnt werden dürfe. Nach Art. 33 Abs. 2 GG haben alle Deutschen gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Zwar kann der Dienstherr Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild machen, diese müssen jedoch gerechtfertigt und notwendig sein. Die Verwaltungspraxis des Landes Nordrhein-Westfalen, großflächige Tätowierungen pauschal als Eignungsmangel zu werten, wurde als rechtswidrig eingestuft.
5. Keine Beeinträchtigung der Neutralität und Repräsentanz der Polizei
Das Gericht stellte fest, dass die Tätowierung des Antragstellers auf der Innenseite des Unterarms die Neutralität und Akzeptanz der Polizeiuniform nicht beeinträchtige. Es gebe keine belastbaren Erkenntnisse oder Studien, die belegen, dass solche Tätowierungen das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei schwächen würden. Die Annahme, dass eine sichtbare Tätowierung automatisch ein unseriöses Auftreten im Dienst bedinge, wurde als nicht haltbar angesehen. Auch hinsichtlich der Repräsentanz der Polizei, die in einer pluralistischen Gesellschaft eine Rolle spielt, sah das Gericht keinen Grund, die Tätowierung als problematisch zu bewerten.
Insgesamt wurde die Ablehnung des Antragstellers als unbegründet angesehen, und das Gericht entschied, dass die vorläufige Zulassung zum weiteren Auswahlverfahren gerechtfertigt sei.
Quelle: Verwaltungsgericht Düsseldorf
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