Ausländerrecht: Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder
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Ausländerrecht
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von: Helmer Tieben

Verwaltungsgericht München, 09.10.2015, Az.: M 24 K 15.3204

Über Aufenthaltserlaubnisse entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nach § 35 S. 1 VwVfG jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Einem im Bundesgebiet geborenen Kind wird automatisch (auch ohne Pass und Lebensunterhalt) die Aufenthaltserlaubnis erteilt

Nach § 33 S. 2 AufenthG wird dem im Bundesgebiet geborenen Kind die Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzen. Demnach steht der Behörde hierbei kein Ermessen nach § 40 VwVfG zu, sondern es besteht die Pflicht, die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (gebundene Entscheidung), sofern die Voraussetzungen des § 33 S. 2 AufenthG vorliegen. Dabei ist auch von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbesondere der Frage der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und der Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 AufenthG) abzusehen.

In der nachgenannten Entscheidung ging es um die Frage, ob auch ein gebundener Anspruch nach § 33 S. 2 AufenthG besteht, wenn die Eltern nur aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis haben.

Hintergrund des Verfahrens

Die Klägerin, eine 2014 in Deutschland geborene somalische Staatsangehörige, ist die Tochter zweier somalischer Staatsangehöriger, die jeweils im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind. Diese Aufenthaltstitel wurden den Eltern aus humanitären Gründen gewährt. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG zusteht. Dieser Paragraph regelt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für im Bundesgebiet geborene Kinder, deren Eltern im Besitz eines Aufenthaltstitels sind. Am 25.09.2015 wurde auch ein Asylantrag für die Klägerin gestellt, doch bereits zuvor, am 19.02.2015, hatte ihr Bevollmächtigter einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Dieser Antrag wurde mit einem vermeintlichen Rechtsanspruch der Klägerin gemäß § 33 Satz 2 AufenthG begründet.

Verfahrensgeschichte und Antragstellung

Der im Februar 2015 gestellte Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde von der Beklagten (BAMF) im Mai 2015 abgelehnt. Das BAMF verwies dabei auf § 29 Abs. 3 AufenthG, der vorsieht, dass einem minderjährigen Kind, dessen Eltern nur Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind, eine Aufenthaltserlaubnis nur aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen erteilt werden kann. Mit der Begründung, dass die Ablehnung unrechtmäßig sei, erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, Klage vor dem Verwaltungsgericht München. In ihrer Klage trug sie vor, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten unklar sei und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen hätte erfolgen müssen. Zudem argumentierte sie, dass § 33 Satz 2 AufenthG als speziellere Norm gegenüber § 29 AufenthG zu betrachten sei.

Positionen der Parteien

Die Klägerin machte geltend, dass sie aufgrund ihrer Geburt in Deutschland und der Aufenthaltserlaubnisse ihrer Eltern gemäß § 33 Satz 2 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe. Die Beklagte hingegen beantragte die Abweisung der Klage und führte an, dass der Anspruch der Klägerin nach § 33 Satz 2 AufenthG durch § 29 Abs. 3 AufenthG eingeschränkt sei. Letzterer Artikel sehe vor, dass Kindern von Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis nur aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen erteilt werden könne. Somit sei der Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht gerechtfertigt.

Zulässigkeit und rechtliche Einordnung der Klage

Das Verwaltungsgericht München erklärte die Klage für zulässig. Es stellte fest, dass das Schreiben der Beklagten vom Mai 2015 als Verwaltungsakt zu werten sei, obwohl es keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Es handelte sich daher um eine Versagungsgegenklage, da das BAMF deutlich gemacht hatte, dass der Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden solle. Das Gericht entschied zudem, dass es im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden könne.

Begründetheit der Klage: Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

Das Gericht befand die Klage auch in der Sache für begründet. Es stellte fest, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 33 Satz 2 AufenthG erfüllt, da sie im Bundesgebiet geboren wurde und ihre Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG waren. § 33 Satz 2 AufenthG stellt klar, dass von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, wie etwa der Sicherung des Lebensunterhalts oder der Erfüllung der Passpflicht, abgesehen werden kann, wenn ein Kind im Bundesgebiet geboren wird und beide Elternteile im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind.

Das Gericht stellte weiter fest, dass § 33 Satz 2 AufenthG in diesem Fall eine vorrangige und zwingende Norm ist, die den Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis begründet. Es entschied, dass die Verwaltung bei der Anwendung dieser Norm keine Ermessensspielräume habe und dass die Entscheidung voll gerichtlich überprüfbar sei.

Verhältnis von § 33 Satz 2 AufenthG zu § 29 Abs. 3 AufenthG

Das Verwaltungsgericht München setzte sich auch mit dem Verhältnis von § 33 Satz 2 AufenthG zu § 29 Abs. 3 AufenthG auseinander. Das Gericht folgte der Auslegung, dass § 33 Satz 2 AufenthG gegenüber § 29 Abs. 3 AufenthG als lex specialis zu betrachten sei, was bedeutet, dass die Vorschrift des § 33 Satz 2 AufenthG Vorrang habe. Diese Norm stellt sicher, dass im Bundesgebiet geborene Kinder, deren Eltern beide eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, ein besonders starkes Aufenthaltsrecht erhalten. Das Gericht hob hervor, dass § 29 Abs. 3 AufenthG nur in speziellen Ausnahmefällen Anwendung finde, nämlich dann, wenn für das Kind nur ein humanitärer Aufenthaltstitel in Betracht komme.

Das Gericht betonte weiter, dass die Eltern der Klägerin aufgrund ihrer Aufenthaltstitel eine besonders legitime Aufenthaltsposition innehätten, die auch auf das Kind übertragen werden müsse. Es sei nicht zumutbar, dass ein im Bundesgebiet geborenes minderjähriges Kind, dessen Eltern über Aufenthaltstitel verfügen, ohne eigenen Aufenthaltstitel und damit ausreisepflichtig sein solle. Aus diesen Gründen sah das Gericht in den Umständen des Falls ausreichend „humanitäre Gründe“ im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gegeben.

Schlussfolgerung – Klägerin hat Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

Das Verwaltungsgericht München kam zu dem Schluss, dass die Klägerin alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG erfülle. Da beide Elternteile im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sind und das Kind im Bundesgebiet geboren wurde, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Das Gericht verpflichtete daher die Beklagte, der Klägerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Quelle: Verwaltungsgericht München

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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