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Ausländerrecht: Zur Prozesskostenhilfe bei Klage auf Niederlassungserlaubnis bei Ausweisungsinteresse

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 26.09.2017, Az.: 3 D 49/17

Gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG ist dem Ausländer nach Antrag in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.

Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 AufenthG liegt vor, wenn ein Ausländer:

      • Wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.
      • Straftaten gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung, Eigentum oder gegen Vollstreckungsbeamte begangen hat, besonders wenn diese mit Gewalt, Drohung oder List verübt wurden.
      • Serienmäßig Straftaten gegen das Eigentum begangen hat, auch ohne Gewaltanwendung, sofern eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde.
      • Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begangen hat, insbesondere in Zusammenhang mit Heroin oder Kokain, und sich der erforderlichen Rehabilitation entzieht.
      • Eine andere Person verwerflich daran hindert, am Leben in Deutschland teilzuhaben, oder eine Person zur Ehe nötigt.
      • Eine schwerwiegende Handlung nach dem Personenstandsgesetz begangen hat, insbesondere unter Beteiligung Minderjähriger oder durch falsche Angaben in Sicherheitsbefragungen.
      • In einem Schengen-Staat falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat, um einen Aufenthaltstitel oder ein Visum zu erhalten, oder nicht an gesetzlichen Maßnahmen mitgewirkt hat, trotz Hinweis auf die Rechtsfolgen.

Diese Ausweisungsgründe gelten nur unter bestimmten Bedingungen, wie einem ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsfolgen.

Das sächsische Oberverwaltungsgericht hat im nachstehenden Beschluss entschieden, dass wenn angesichts der festgestellten Art und Häufigkeit der begangenen Straftaten kein Zweifel daran bestehe, dass ein Ausweisungsinteresse vorliegt, ein Prozesskostenhilfe versagender Beschluss nicht als offensichtlich dem Gesetz widersprechend oder als eine grobes prozessuales Unrecht enthaltende Entscheidung gelte, die im Rahmen einer Gegenvorstellung zu revidieren wäre.

Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:

Ehemann einer Deutschen stellte Antrag auf Niederlassungserlaubnis

Der Kläger stellte einen Antrag auf Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welcher ihm durch Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesdirektion Sachsen vom 18. September 2015 lediglich in Form einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt wurde.

Nachdem die Ausländerbehörde nur eine Aufenthaltserlaubnis erteilte, klagte der Ehemann und beantragte Prozesskostenhilfe

Der Kläger verfolgte sein Begehren auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit seiner Klage weiter. Er stellte zudem einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welcher vom Verwaltungsgericht mangels Erfolgsaussichten seiner Klage mit der Begründung abgelehnt wurde, dass diese keine Aussicht auf Erfolg habe.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Ausweisungsinteresse entgegenstehe.

Der Senat folgte den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen und führte aus, es könne im Prozesskostenhilfeverfahren offenbleiben, ob die Verurteilungen des Klägers durch das Amtsgericht Annaberg vom 23. April 2009 – 3 Cs 650 Js 11638/09 – zu 20 Tagessätzen von 15,00 € wegen Diebstahls sowie vom 31. Mai 2013 – 11 Ds 700 Js 45609/12 – zu 135 Tagessätzen von 20,00 € wegen Untreue in zwei Fällen jeweils für sich genommen mehr als einen „nur geringfügigen“ Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG darstellten und geeignet seien, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse zu begründen.

Das zunächst angerufene Verwaltungsgericht lehnte die Prozesskostenhilfe wegen der Straftaten des Klägers ab

Es sei davon auszugehen, dass diese Rechtsverstöße nicht mehr als „nur vereinzelt“ anzusehen seien, da beide Verurteilungen wegen Vermögensdelikten (Diebstahl, Untreue) erfolgten und die insgesamt drei abgeurteilten Taten innerhalb eines Zeitraums von weniger als vier Jahren begangen wurden.

Der Kläger trug dagegen vor, dass im Prozesskostenhilfeverfahren nicht hätte entschieden werden dürfen, ob der Erteilung der Niederlassungserlaubnis tatsächlich ein Ausweisungsinteresse entgegenstehe. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots, Bedürftige den Nichtbedürftigen in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichzustellen, sei diese Frage vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Im Prozesskostenhilfeverfahren hätte aufgrund der Komplexität der Frage, ob ein nicht nur vereinzelter Verstoß im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vorliege, diese Frage nicht beantwortet werden können. Gleiches gelte für die Gewichtung einzelner Ausweisungstatbestände und die Entscheidung, ob die Abweisung eine Abwägung voraussetze.

Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts:

Auch das Oberverwaltungsgericht lehnte die Erteilung von Prozesskostenhilfe ab

Die statthafte Gegenvorstellung blieb ohne Erfolg. Die mit der Gegenvorstellung vorgebrachten Gründe rechtfertigten nicht die Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Gegenvorstellung sei statthaft. Zwar sei seit der Einführung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO die gesetzlich nicht vorgesehene Gegenvorstellung regelmäßig als unzulässig anzusehen, ausnahmsweise komme jedoch die Änderung einer unanfechtbaren Entscheidung im Wege der Gegenvorstellung in Betracht, wenn das Gericht nach den maßgebenden gesetzlichen Regelungen zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung befugt sei und die Gegenvorstellung ihm Anlass zu einer dahingehenden Prüfung gebe.

Bei formell rechtskräftigen Beschlüssen über die Versagung der Prozesskostenhilfe sei dies möglich, da Anträge auf Prozesskostenhilfe wiederholt gestellt werden könnten und eine Gegenvorstellung wie ein neuer Antrag Anlass geben könne, eine zunächst versagte Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Notwendig für die Änderung einer unanfechtbaren Entscheidung durch eine Gegenvorstellung sei, dass die Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widerspreche oder grobes prozessuales Unrecht enthalte. Es bedürfe also schwerwiegender Grundrechtsverstöße oder des Fehlens jeder gesetzlichen Grundlage.

Da der Kläger Straftaten begangen hatte, lag ein Ausweisungsinteresse vor

Die Gegenvorstellung sei jedoch unbegründet, da das Vorbringen des Klägers nicht darauf hindeute, dass der Senatsbeschluss vom 1. August 2017, dessen Abänderung er begehre, offensichtlich dem Gesetz widerspreche oder grobes prozessuales Unrecht enthalte. Zudem sei unter keinen Gesichtspunkten ersichtlich, dass der Kläger gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz im Verfahren 5 K 1814/15 habe.

Aufgrund der festgestellten Art und Häufigkeit der begangenen Straftaten bestehe kein Zweifel daran, dass ein Ausweisungsinteresse vorliege. Es fehle jedenfalls an „nur vereinzelt“ aufgetretenen Rechtsverstößen im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, selbst wenn diese als geringfügig anzusehen seien.

Es komme auf die Frage der Gewichtung der Ausweisungstatbestände schon deswegen nicht an, weil § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht voraussetze, dass der Ausländer nicht abgeschoben werden könne, sondern lediglich, dass kein Ausweisungsinteresse bestehe.

Das Begehren des Klägers sei daher unbegründet.

Quelle: Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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