Gesetzliche Grundlagen und Anwendungsbereich
Der Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zum Zweck der Ausbildung ist im Kapitel 2 Abschnitt 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geregelt. Dieses Kapitel umfasst sowohl die berufliche Aus- und Weiterbildung als auch den Aufenthalt zum Studium. Die zentralen Bestimmungen sind hier § 16a und § 16b AufenthG, die die unterschiedlichen Ausbildungszwecke abdecken.
-
§ 16a AufenthG – Aufenthaltserlaubnis zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung sowie zur schulischen Berufsausbildung. Absatz 1 regelt die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu einer betrieblichen Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung (etwa im dualen Ausbildungssystem in einem Betrieb). Absatz 2 betrifft die schulische Berufsausbildung, also z.B. den Besuch einer Berufsfachschule oder ähnlicher schulischer Ausbildungsgänge.
-
§ 16b AufenthG – Aufenthaltserlaubnis zum Studium. Diese Vorschrift regelt den Aufenthalt zur Durchführung eines Studiums und umfasst sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitstudiengänge. Ein Studium von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland ist dabei nur an bestimmten Bildungseinrichtungen zulässig. Erforderlich ist in der Regel die Zulassung an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule (Universität, Fachhochschule, Kunst- oder Musikhochschule) oder an einer vergleichbaren Bildungseinrichtung (beispielsweise einer Berufsakademie). Auch studienvorbereitende Maßnahmen werden vom Aufenthaltszweck Studium mit umfasst – etwa ein erforderlicher sprachlicher Vorbereitungskurs oder der Besuch eines Studienkollegs, sofern diese als Voraussetzung für die Studienzulassung nachgewiesen werden müssen.
Eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium wird erteilt, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind (insbesondere die Hochschulzulassung liegt vor) und derdie Antragstellerin auch die weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (z.B. gesicherter Lebensunterhalt, kein Ausweisungsinteresse) nachweist. In der Praxis wird die Erst-Erteilung meist für zwei Jahre ausgestellt und kann verlängert werden, solange das Studienziel noch erreicht werden kann. Der Gesetzgeber schreibt dabei vor, dass eine Verlängerung der Studienaufenthaltserlaubnis nur möglich ist, wenn das Ausbildungsziel noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann (§ 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Hier prüft die Ausländerbehörde also den Studienfortschritt und die voraussichtliche Studiendauer.
Beschäftigungsmöglichkeiten neben dem Studium
Während des Studiums dürfen Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG in begrenztem Umfang einer Beschäftigung nachgehen. Nach aktueller Rechtslage ist eine Nebenbeschäftigung bis zu 140 Tagen im Jahr (oder 280 halben Tagen) gestattet. Studentische Nebentätigkeiten (wie Hiwi-Jobs an der Universität) bleiben dabei in der Regel außen vor und werden nicht auf diese 140 Tage angerechnet. Diese Regelung soll es ausländischen Studierenden ermöglichen, sich neben dem Studium etwas dazuzuverdienen, ohne jedoch den Hauptzweck des Aufenthalts – das Studium – zu gefährden.
Wechsel des Aufenthaltszwecks während eines Studienaufenthalts
Ein wichtiger Aspekt für ausländische Studierende ist die Frage, inwieweit man während eines laufenden Studiums den Aufenthaltszweck wechseln kann – sei es in Richtung einer Beschäftigung oder eines anderen Studiums. Hierzu hat es in den letzten Jahren einige gesetzliche Änderungen gegeben, die die zuvor sehr strikten Regeln etwas gelockert haben.
Früher galt nach der alten Fassung des Aufenthaltsgesetzes ein generelles Zweckwechselverbot während des Studiums. Das bedeutete: Wer mit einem Studentenvisum eingereist ist, sollte grundsätzlich nicht während dieses Aufenthalts einen anderen Aufenthaltstitel (etwa zur Erwerbstätigkeit) erhalten können, sofern nicht ein ausdrücklicher gesetzlicher Anspruch darauf bestand (zum Beispiel durch Heirat mit einer*m Deutschen oder Anerkennung als Flüchtling). Dieser Regelversagungsgrund war in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG alter Fassung verankert. In der Praxis führte das dazu, dass Studierende, die z.B. ein Jobangebot als Fachkraft erhielten, oft erst nach Abschluss des Studiums oder nach einer Ausreise und Neuvisum-Verfahren den Wechsel vollziehen konnten.
Reform 2020/2023: Erleichterungen beim Zweckwechsel
Mit der Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes 2020 und weiteren Änderungen durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung 2023 wurde diese starre Regelung aufgelockert. Seit dem 1. März 2024 gilt eine neue Fassung von § 16b Abs. 4 AufenthG. Nun ist lediglich ausgeschlossen, während des Studiums in einen Aufenthaltstitel zu vorübergehenden Beschäftigungen zu wechseln (gemeint sind vor allem temporäre, nicht qualifizierte Beschäftigungen, die unter § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. Beschäftigungsverordnung fallen, z.B. Saisonarbeit). Nicht mehr ausgeschlossen ist hingegen der Wechsel in qualifizierte Beschäftigungen. Konkret bedeutet das:
-
Wechsel in eine qualifizierte Berufsausbildung: Studierende können während des Studiums in eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung nach § 16a AufenthG wechseln, sofern sie einen Ausbildungsplatz haben und die Voraussetzungen erfüllen. Ein solcher Zweckwechsel ist nun ausdrücklich zulässig und wird in der Praxis von den Ausländerbehörden ermöglicht, ohne dass hierfür das Land verlassen werden muss.
-
Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit als Fachkraft: Findet eine ausländischer Studentin ein Angebot für eine qualifizierte Stelle (entsprechend der Fachkräftekategorien nach dem Aufenthaltsgesetz, z.B. als Hochschulabsolventin mit Blue Card nach § 18b AufenthG oder als Fachkraft mit Berufsausbildung nach § 18a AufenthG), kann er*sie nun direkt in Deutschland einen Antrag auf Wechsel des Aufenthaltstitels stellen. Die früher übliche Forderung, dafür erst ausreisen und ein Visumverfahren im Heimatland durchlaufen zu müssen, entfällt in solchen Fällen weitgehend. Wichtig ist jedoch, dass die fachlichen Voraussetzungen für den neuen Titel erfüllt sind – also etwa ein anerkannter Abschluss und ein konkretes Arbeitsangebot mit angemessenem Gehalt vorliegen. Ist dies der Fall, hat man mittlerweile einen Rechtsanspruch auf Erteilung der entsprechenden Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft.
-
Wechsel in eine Aufenthaltserlaubnis bei herausragender berufspraktischer Erfahrung: Auch der Wechsel in einen Aufenthaltstitel nach § 19c Abs. 2 AufenthG ist möglich. Diese relativ neue Kategorie ermöglicht es Personen mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung (auch ohne formalen Abschluss), eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu erhalten, sofern bestimmte Voraussetzungen (z.B. mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein konkretes Jobangebot mit ausreichendem Gehalt) erfüllt sind. Studierende, die diese Kriterien erfüllen, könnten also ebenfalls einen solchen Wechsel anstreben.
-
Wechsel in Aufenthalte mit gesetzlichem Anspruch: Unberührt bleibt die Möglichkeit, den Aufenthaltszweck zu wechseln, wenn ein gesetzlicher Anspruch besteht. Dazu zählen etwa Fälle wie die Eheschließung mit einer*m deutschen Staatsangehörigen (Anspruch auf Ehegattennachzug) oder ein Anspruch auf ein humanitäres Aufenthaltsrecht. In solchen Konstellationen darf der Titel selbstverständlich geändert werden – der Gesetzgeber hat diese Fälle von vornherein vom Zweckwechselverbot ausgenommen.
Fazit: Für einen Wechsel vom Studienaufenthalt in einen anderen Aufenthaltszweck gilt inzwischen kein generelles Verbot mehr. Die Ausländerbehörde muss aber jeden Antrag im Ermessen prüfen und dabei Ihre persönlichen Interessen am Verbleib gegen die öffentlichen Interessen abwägen. In Bereichen, in denen Deutschland Fachkräfte braucht, sind die Chancen auf einen erfolgreichen Zweckwechsel heute deutlich höher als noch vor einigen Jahren. So ist es nicht unüblich, dass ein ausländischer Studierender, der kurz vor Abschluss steht oder bereits einen deutschen Hochschulabschluss hat, direkt im Anschluss einen Arbeitsvertrag annimmt und dann eine Blue Card oder vergleichbare Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft erhält – ohne zwischendurch ausreisen zu müssen. Lediglich der Wechsel in nicht-qualifizierte, kurzfristige Jobs bleibt während des Studiums tabu.
Begrenzung: Studienabschluss in angemessener Zeit
Trotz der genannten Erleichterungen müssen Studierende beachten, dass der ursprüngliche Aufenthaltszweck Studium zeitlich nicht beliebig ausgedehnt werden kann. Wie erwähnt, verlangt § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG eine angemessene Studiendauer. Das heißt: Die Aufenthaltserlaubnis für ein Studium wird nur verlängert, solange realistischerweise mit einem zeitnahen Studienabschluss gerechnet werden kann. In der Praxis orientieren sich die Behörden dabei an der Regelstudienzeit des jeweiligen Fachs sowie an der durchschnittlichen Studiendauer. Wird die Regelstudienzeit erheblich überschritten, wächst der Zweifel, ob das Studienziel noch in vertretbarer Zeit erreicht wird. Als Richtschnur gilt oft, dass ein Studium innerhalb von maximal zehn Jahren abgeschlossen sein sollte – wird dieser Zeitraum voraussichtlich überschritten, gilt das in der Regel nicht mehr als „angemessen“.
Wechsel des Studiengangs (Fachrichtungswechsel)
Ein Spezialfall des Zweckwechsels im weitesten Sinne ist der Wechsel des Studiengangs innerhalb des Aufenthaltszwecks Studium. Hierunter versteht man, dass eine Studierender das ursprünglich aufgenommene Fach aufgibt und stattdessen einen völlig neuen Studiengang beginnt (z.B. Wechsel von Jura zu BWL, oder von Maschinenbau zu Sozialwissenschaften). Rechtlich stellt sich die Frage, ob dies noch vom ursprünglichen Aufenthaltszweck Studium gedeckt ist oder als Wechsel des Aufenthaltszwecks gewertet wird.
Grundsatz: Nach aktueller Auffassung knüpft der „Aufenthaltszweck Studium“ an das konkret betriebene Studienfach an – nicht an das Studium in abstrakter Hinsicht. Das bedeutet, dass ein Fachrichtungswechsel in der Regel als Zweckwechsel angesehen wird. Man startet ausländerrechtlich gesehen gewissermaßen ein neues Projekt. Entsprechend bedarf es hierfür grundsätzlich einer neuen Entscheidung der Ausländerbehörde über die Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Behörde wird prüfen, ob sie den Wechsel zulässt oder nicht.
Allerdings gibt es anerkannte Ausnahmefälle, in denen ein Studiengangwechsel nicht als schädlicher Zweckwechsel gewertet wird:
-
Orientierungsphase: Ein Wechsel des Fachs innerhalb der ersten 18 Monate nach Studienbeginn (also etwa innerhalb der ersten drei Semester) wird von den Behörden meist als unproblematisch angesehen. Diese Zeit gilt als Orientierungsphase, in der Studierende feststellen können, ob das gewählte Fach passt. Ein solcher früher Wechsel wird häufig akzeptiert, ohne dass man deswegen den Aufenthaltsstatus verliert. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (Nr. 16.2.5 AVwV) ist ausdrücklich vermerkt, dass ein Fachrichtungswechsel ausnahmsweise möglich sein soll, wenn er innerhalb von eineinhalb Jahren erfolgt.
-
Kein echter Neuanfang: Ebenfalls nicht als echter Zweckwechsel gewertet werden Fälle, in denen es sich nur um eine Schwerpunktverlagerung oder einen eng verwandten Fachwechsel handelt. Zum Beispiel, wenn die bisherigen Studienleistungen im neuen Studiengang weitgehend angerechnet werden können oder man innerhalb derselben Fachrichtung den Schwerpunkt wechselt (etwa Wechsel von Elektrotechnik zu Wirtschaftsingenieurwesen, wo Teile des Studiums identisch sind). Hier bleibt der Aufenthaltszweck im Kern „Studium derselben Fachrichtung“, und die bisherigen Semester gehen nicht vollständig verloren.
Wenn der Studiengangwechsel jedoch spät im Studium erfolgt oder mit einem kompletten Neuanfang in einer ganz anderen Fachrichtung verbunden ist, schaut die Ausländerbehörde sehr genau hin. Maßgeblich ist, ob das neue Studienziel in noch angemessener Zeit erreicht werden kann. Wie oben erwähnt, wird grob darauf abgestellt, dass die Gesamtstudiendauer sich im vertretbaren Rahmen halten muss (oft wird hier, wie gesagt, ein Richtwert von etwa zehn Jahren Gesamtzeit genannt). Wer also z.B. nach fünf Jahren ein Studium ohne Abschluss abbricht und ein neues, ebenfalls fünfjähriges Studium beginnt, hätte am Ende eine Gesamtdauer von zehn Jahren – das könnte noch als Obergrenze durchgehen. Überschreitet die prognostizierte Gesamtstudiendauer jedoch deutlich diesen Rahmen, wird die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel versagt. Denn in solchen Fällen erscheint es nicht mehr „angemessen“, den Aufenthaltszweck Studium immer weiter fortzuschreiben.
Aktuelle Rechtsprechung zum Studiengangwechsel
Die deutschen Gerichte haben sich wiederholt mit Fällen von Studienfachwechseln befasst. Jüngere Urteile bestätigen dabei grundsätzlich die strenge Linie, auch wenn die Gesetzeslage sich etwas geändert hat. So hat etwa das Verwaltungsgericht Aachen im Jahr 2022 entschieden, dass kein Anspruch auf Verlängerung oder Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht, wenn eine Studentin ihr erstes Studium endgültig nicht bestanden hat und ohne Zustimmung der Ausländerbehörde bereits in einen neuen Studiengang gewechselt ist. In dem Fall hatte die Klägerin mehrere Jahre Maschinenbau studiert und war nach endgültigem Durchfallen exmatrikuliert worden. Ohne die Ausländerbehörde zu informieren, schrieb sie sich unmittelbar in einen anderen Studiengang (Wirtschaftsingenieurwesen) an einer anderen Hochschule ein und stellte den Verlängerungsantrag für ihre Aufenthaltserlaubnis erst, nachdem diese bereits abgelaufen war. Das VG Aachen wies die Klage ab: Weder lagen die Voraussetzungen für eine Verlängerung nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG vor (da kein ausreichender Studienfortschritt und keine Erfolgsaussicht ersichtlich waren), noch durfte eine neue Aufenthaltserlaubnis nach § 16b Abs. 1 AufenthG erteilt werden, weil der geplante Fachwechsel als unzulässiger Zweckwechsel gewertet wurde. Hinzu kam, dass durch die verspätete Antragstellung keine Fiktionswirkung eingetreten war – die Klägerin war also zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits ohne gültigen Aufenthaltstitel, was die Rechtsposition weiter schwächte.
Auch Obergerichte haben diese Sichtweise untermauert. So stellte etwa das Thüringer Oberverwaltungsgericht fest, dass allein die Zulassung zu einem neuen Studiengang keinen automatischen Anspruch auf eine (neue) Aufenthaltserlaubnis begründet. Vielmehr müsse die Behörde weiterhin prüfen, ob nicht das Zweckwechselverbot greift und ob derdie Studierende eine positive Abschlussprognose für das neue Fach vorweisen kann. Würde man jede Hochschulzulassung als Freibrief für einen neuen Aufenthaltstitel gelten lassen, liefe man Gefahr, dass findige Studierende einfach durch ständigen Fachwechsel ihren Aufenthalt auf unbestimmte Zeit verlängern – das widerspräche der Intention des Gesetzes. Entsprechend verlangt die Rechtsprechung auch bei einem Fachrichtungswechsel eine Einzelfallprüfung: Wie lange hat das erste Studium gedauert? Warum scheiterte es? Kann derdie Studierende im neuen Fach voraussichtlich erfolgreicher sein und zügig abschließen? Nur wenn diese Fragen positiv beantwortet werden können, besteht eine Chance, dass die Behörde den Wechsel ausnahmsweise genehmigt.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Ein Wechsel des Studiengangs stellt heute in der Regel einen Wechsel des Aufenthaltszwecks dar, der ohne Zustimmung der Ausländerbehörde nicht möglich ist. Die neue Gesetzeslage seit 2024 hat zwar das strikte gesetzliche Verbot abgemildert, aber de facto muss bei einem Fachwechsel immer noch überzeugend dargelegt werden, dass es sich um einen sinnvollen Neustart mit Aussicht auf Erfolg in angemessener Zeit handelt. Andernfalls riskiert man, dass die Verlängerung verweigert wird und der weitere Verbleib in Deutschland nicht gestattet wird.
Beispiel aus der Praxis: Entscheidung des VG Freiburg
Zur Veranschaulichung der genannten Grundsätze kann ein Blick auf einen Gerichtsfall helfen. Das Verwaltungsgericht Freiburg hatte in einer vielbeachteten Entscheidung (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) darüber zu befinden, ob der angestrebte Wechsel des Studiengangs eines ausländischen Studenten einen unzulässigen Wechsel des Aufenthaltszwecks darstellt und ob ggf. ein Ausnahmefall vorliegt, der dennoch eine Verlängerung rechtfertigen würde.
Sachverhalt: Der Antragsteller, ein Student aus Guinea, war ursprünglich mit einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken in Deutschland und hatte mehrere Semester Jura studiert. Leider konnte er das Jurastudium nicht erfolgreich abschließen – er blieb ohne nennenswerte Leistungsnachweise. Anschließend reiste er zwischen dem 30.11.2009 und dem 13.08.2010 in sein Heimatland aus und hielt sich dort acht Monate ununterbrochen auf. Einen Antrag, die Wiedereinreisefrist zu verlängern (um die Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen zu lassen), stellte er nicht. Nach seiner Wiedereinreise am 13.08.2010 – mutmaßlich mit einem neuen Visum oder anderweitiger Einreiseerlaubnis – begehrte er am 15.09.2010 bei der Ausländerbehörde die Verlängerung bzw. Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis, nun zum Zwecke des Studiums der Islamwissenschaften (zusammen mit Geschichte). Mit anderen Worten: nach dem gescheiterten Jurastudium wollte er in Deutschland einen ganz neuen Studiengang beginnen.
Entscheidung des VG Freiburg: Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag auf Wiedererteilung der Aufenthaltserlaubnis ab. Die Begründung war zweigeteilt:
-
Erlöschen der ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis: Durch den überlangen Auslandsaufenthalt von acht Monaten war die ursprüngliche deutsche Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers kraft Gesetzes erloschen. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt eine Aufenthaltserlaubnis nämlich, wenn derdie Inhaberin länger als sechs Monate (oder eine von der Behörde im Einzelfall gesetzte Frist) aus Deutschland ausreist. Genau das war hier passiert – der Antragsteller war weit über sechs Monate im Ausland, ohne eine Verlängerung der Wiedereinreisefrist zu beantragen. Damit hatte er seinen bisherigen Titel verloren. Die Folge: Bei der Rückkehr nach Deutschland konnte er sich nicht mehr auf die alte Studentenaufenthaltserlaubnis berufen. Ein Antrag auf Verlängerung ins Leere war somit unzulässig; eigentlich hätte er ein neues Visum zum Studienzweck im Heimatland beantragen müssen. Dass er trotzdem eingereist war, half ihm nicht – die Behörde und das Gericht behandelten sein Gesuch im Grunde wie einen Neuantrag.
-
Wechsel des Studiengangs als Zweckwechsel: Unabhängig vom Erlöschenstatbestand sah das Gericht auch in der inhaltlichen Konstellation ein Problem: Der geplante Wechsel vom Fach Rechtswissenschaft zu Islamwissenschaft/Geschichte stellte nach Auffassung des VG Freiburg einen Wechsel des Aufenthaltszwecks dar. Der Antragsteller hatte das ursprüngliche Studium abgebrochen, offenbar weil ein erfolgreicher Abschluss aussichtslos war. Die neue Studienaufnahme war somit kein nahtloser Fortgang desselben Aufenthaltszwecks, sondern ein Neustart. Nach der damals geltenden Rechtslage (§ 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG a.F.) sollte in so einem Fall grundsätzlich keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Zweck erteilt werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch bestand. Einen solchen gesetzlichen Anspruch konnte der Antragsteller nicht geltend machen – es lag ja kein Automatismus vor, der ihm das neue Studium rechtlich zusichern würde. Das VG Freiburg sah auch keinen Ausnahmefall gegeben, der ausnahmsweise eine Abweichung von diesem Grundsatz gerechtfertigt hätte. Insbesondere bewertete das Gericht das Nichterreichen des ursprünglichen Studienziels (das Scheitern im Jurastudium) nicht als atypischen Geschehensablauf, sondern als leider gar nicht so unübliches Ereignis. Ein „atypischer“ Fall hätte vorgelegen, wenn z.B. besondere unverschuldete Umstände zum Studienabbruch geführt hätten, die außerhalb des Üblichen liegen. Hier jedoch gab es keinen solchen besonderen Umstand – der Student war schlicht durch Prüfungen gefallen und hatte das Studium nicht geschafft, was im Bereich des normalen Risikos liegt. Damit blieb es beim Regelgrundsatz des Verbots des Zweckwechsels.
Folglich durfte die Ausländerbehörde den Antrag ablehnen, und das Gericht bestätigte diese Entscheidung im Eilverfahren. Der Student hätte also – wollte er dennoch Islamwissenschaften in Deutschland studieren – erst ausreisen und von Guinea aus ein neues Visum zum Studienzweck beantragen müssen. Ohne eine gültige Aufenthaltserlaubnis konnte er das neue Studium nicht einfach hier aufnehmen.
Anmerkung: Dieses Urteil bezog sich zwar noch auf die alte Rechtslage (vor Inkrafttreten der Neustrukturierung des § 16 AufenthG in § 16a und § 16b), ist aber in weiten Teilen auf die heutige Situation übertragbar. Auch nach aktueller Rechtslage gilt, dass ein vollzogener Studienfachwechsel in der Mitte des Studiums regelmäßig kritisch betrachtet wird. Die Argumentation des VG Freiburg spiegelt die nach wie vor gültige Rechtsidee wider: Ein Studienaufenthalt dient dem Abschluss des begonnenen Studiums – scheitert dieses und wird ein völlig neues begonnen, ist das ausländerrechtlich ein neuer Zweck, der nicht ohne weiteres genehmigt wird. Neu ist jedoch, dass seit 2024 kein kategorisches Verbot im Gesetz mehr steht, sondern die Behörde ein Ermessen hat. In einem Fall wie dem obigen würde aber aller Voraussicht nach auch nach neuem Recht die Entscheidung ähnlich ausfallen, da weder die formalen Voraussetzungen (rechtzeitiger Antrag, gültiger Titel) noch die inhaltlichen (angemessene Studiendauer, positiver Verlauf) gegeben waren.
Fazit
Die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes im Bereich Ausbildung und Studium wurden in den letzten Jahren modernisiert. Ausländische Studierende haben heute bessere Möglichkeiten, ihren Aufenthaltstitel flexibel zu gestalten – etwa durch Wechsel in qualifizierte Jobs oder Ausbildung – sofern sie die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen. Gleichzeitig bleiben aber die Grundprinzipien bestehen: Der Aufenthalt zum Studium ist zweckgebunden und zeitlich nicht endlos dehnbar. Ein Fachrichtungswechsel will gut überlegt sein und möglichst früh vorgenommen werden, damit er nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt. Wer sich unsicher ist, sollte unbedingt rechtlichen Rat einholen, bevor er*sie den Studiengang wechselt oder andere weitreichende Entscheidungen trifft.
Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen wiedergegeben. Dennoch kann aufgrund der Komplexität und des ständigen Wandels der Materie keine Gewähr für Aktualität oder Richtigkeit übernommen werden. Dieser Text ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Wenn Sie eine persönliche Beratung zum Ausländerrecht benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Kontaktieren Sie uns unverbindlich unter Telefon 0221 – 80187670 oder schreiben Sie eine E-Mail an info@mth-partner.de. Unsere Rechtsanwälte in Köln beraten Sie kompetent im Ausländer- und Aufenthaltsrecht.
