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Verwaltungsgericht Aachen: Kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Studienabbruch und Studiengangwechsel bei unzureichendem Studienerfolg und verspätetem Antrag

Am 3. März 2022 fällte das Verwaltungsgericht Aachen ein Grundsatzurteil zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ausländische Studierende nach dem Abbruch eines Studiums und dem Wechsel in einen neuen Studiengang weiterhin Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hat. Die Entscheidung erging im Verfahren einer kamerunischen Klägerin, deren Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war und die erst verspätet einen Verlängerungsantrag stellte, nachdem sie zuvor das Maschinenbaustudium wegen endgültigen Nichtbestehens abbrechen musste und ohne Zustimmung der Ausländerbehörde ein neues Studium im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen aufnahm.

Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Gericht führte in seiner umfangreichen Urteilsbegründung aus, dass kein Anspruch auf Verlängerung oder Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht, da weder die Voraussetzungen der Verlängerung nach § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfüllt seien noch die der Neuerteilung nach § 16b Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Darüber hinaus wurde die Abschiebungsandrohung sowie das darauf gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot als rechtmäßig bestätigt.

Hintergrund: Studienverlauf und Antragssituation der Klägerin

Die Klägerin war im Jahr 2013 mit einem Visum zum Zweck eines studienvorbereitenden Sprachkurses nach Deutschland eingereist. Anschließend nahm sie an einer deutschen Universität ein Studium im Fach Maschinenbau auf. Die ursprünglich befristete Aufenthaltserlaubnis wurde mehrfach verlängert. Im Jahr 2018 wurde die Klägerin exmatrikuliert, nachdem sie eine zentrale Prüfung endgültig nicht bestand. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie lediglich 27 von 210 notwendigen Credit Points erworben und befand sich in mehreren Fächern bereits im Drittversuch. Daraufhin schrieb sie sich im Wintersemester 2018/2019 an einer anderen Hochschule in den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen ein. Dieser Wechsel erfolgte ohne die Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde.

Erst im Mai 2019, also zwei Monate nach Ablauf der letzten Aufenthaltserlaubnis, beantragte sie eine Verlängerung. Die zuständige Ausländerbehörde lehnte den Antrag ab, da kein positiver Studienverlauf erkennbar sei und zudem die verspätete Antragstellung keine Fiktionswirkung ausgelöst habe. Mit der Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung der Ablehnungsverfügung und die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Keine Verlängerung bei verspätetem Antrag und fehlender Fiktionswirkung

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Aachen war die Klage bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin ihren Verlängerungsantrag verspätet gestellt hatte. Ein solcher Antrag muss nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG grundsätzlich vor Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis gestellt werden, damit die Fiktionswirkung eintritt, das heißt der rechtmäßige Aufenthalt während der Bearbeitungszeit als fortbestehend gilt. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt.

Zwar kann nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Ausländerbehörde ausnahmsweise rückwirkend eine Fiktionswirkung anordnen, wenn eine unbillige Härte vorliegt. Doch eine solche Härte ist nur dann anzunehmen, wenn die verspätete Antragstellung nicht dem Verschulden des Antragstellers zuzurechnen ist und nach summarischer Prüfung ein Anspruch auf die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erwarten wäre. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin weder nachvollziehbare noch glaubhafte Gründe für die Verspätung dargelegt hatte. Insbesondere habe sie nicht konkret geschildert, inwiefern organisatorische Unklarheiten zwischen Hochschule und Ausländerbehörde sie an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätten.

Die nachträglich ausgestellte Fiktionsbescheinigung konnte eine solche rückwirkende Anordnung nicht ersetzen. Denn sie bezog sich ausdrücklich nur auf einen Zeitraum ab Juli 2019 und damit nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis. Auch ein schlüssiges Verhalten der Ausländerbehörde, das auf eine konkludente Anordnung der Fiktionswirkung schließen ließe, sah das Gericht nicht.

Der Studiengangwechsel als rechtlich relevanter Zweckwechsel

Einen weiteren zentralen Aspekt der Entscheidung bildet die rechtliche Einordnung des Studiengangwechsels durch das Gericht. Nach § 16b Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist ein Zweckwechsel während eines Aufenthalts zum Studium nur in bestimmten gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig. Dazu zählen etwa der Wechsel in eine qualifizierte Berufsausbildung, die Aufnahme einer Tätigkeit als Fachkraft oder das Vorliegen eines gesetzlichen Anspruchs. Das Verwaltungsgericht Aachen stellte fest, dass ein Studiengangwechsel regelmäßig ebenfalls einen Aufenthaltszweckwechsel darstellt, jedenfalls dann, wenn der Wechsel nicht innerhalb der ersten 18 Monate nach Studienbeginn erfolgt und der vorherige Studiengang endgültig abgebrochen wurde.

Im konkreten Fall war der Studiengang Maschinenbau an einer Universität durch ein neues Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an einer Fachhochschule ersetzt worden. Zwar gab es gewisse inhaltliche Überschneidungen, jedoch sei der neue Studiengang strukturell und institutionell klar vom bisherigen Studium abzugrenzen. Auch die Tatsache, dass nur wenige Prüfungsleistungen aus dem Maschinenbaustudium anerkannt wurden, spreche gegen eine bloße Schwerpunktverlagerung.

Ein solcher Wechsel sei somit nicht als Fortsetzung desselben Aufenthaltszwecks zu werten, sondern als dessen Aufgabe und Neubegründung. Da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis für den neuen Zweck hatte und auch kein Visum für diesen Zweck vorlegen konnte, kam eine Erteilung nicht in Betracht. Das sogenannte Zweckwechselverbot greift in vollem Umfang.

Keine positive Prognose über Studienabschluss in angemessener Zeit

Das Gericht prüfte darüber hinaus, ob die Klägerin zumindest einen Anspruch auf Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis unter analoger Anwendung des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG haben könnte. Diese Vorschrift erlaubt eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, wenn der Studienerfolg in einem angemessenen Zeitraum noch zu erwarten ist. Die Vorschrift wird von der Rechtsprechung auch in Fällen des Studiengangwechsels analog angewandt, sofern der Gesetzgeber eine Regelungslücke erkennbar nicht beabsichtigt hat und der neue Sachverhalt vergleichbar ist.

Nach umfassender Analyse kam das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass keine positive Prognose gestellt werden könne. Die Klägerin hatte seit Beginn ihres Zweitstudiums nur geringe Studienleistungen erbracht und sich in späteren Semestern nicht einmal mehr immatrikuliert. Im Wintersemester 2021/2022 war sie nicht eingeschrieben, im Sommersemester 2021 hatte sie keine Prüfungen abgelegt. Insgesamt hatte sie lediglich 47 von 210 CP erbracht. Unter Berücksichtigung eines regulären Studienpensums von 30 CP pro Semester wären für einen Abschluss über sechs weitere volle Semester erforderlich gewesen. Angesichts der sehr langsamen Fortschritte in der Vergangenheit erschien ein Abschluss in dieser Zeitspanne objektiv ausgeschlossen.

Das Gericht wies darauf hin, dass eine Prognoseentscheidung im Aufenthaltsrecht immer auf objektive Kriterien gestützt sein muss. Die subjektive Einschätzung der Klägerin, sie sei motiviert und bereit, das Studium ernsthaft fortzusetzen, reichte nicht aus. Eine konkrete Leistungssteigerung war nicht nachweisbar. Auch die von der Fachhochschule ausgestellte Studienverlaufsprognose, wonach ein Abschluss bei optimalem Verlauf in sechs Semestern möglich sei, beruhte auf Prämissen, die bereits nicht erfüllt waren.

Abschiebungsandrohung und Einreiseverbot rechtmäßig

Die ebenfalls angefochtene Abschiebungsandrohung wurde vom Gericht als rechtmäßig bestätigt. Da die Klägerin keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr besaß, war sie gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Die Formulierung „Abschiebung in das Heimatland“ genügte im konkreten Fall den Anforderungen des § 59 Abs. 2 AufenthG, da aus der Aktenlage eindeutig hervorging, dass Kamerun das gemeinte Zielland war.

Auch das auf zwei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wurde als verhältnismäßig angesehen. Die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren wurde deutlich unterschritten. Besondere Milderungsgründe, die eine Verkürzung der Sperrfrist erforderlich gemacht hätten, lagen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Fazit: Konsequente Anwendung des Aufenthaltsrechts und deutliche Mahnung zur Studienverantwortung

Mit seinem Urteil hat das Verwaltungsgericht Aachen deutlich gemacht, dass ausländische Studierende in Deutschland ihren Aufenthaltstitel nicht allein durch formale Einschreibung aufrechterhalten können. Maßgeblich sind vielmehr kontinuierliche Studienleistungen, die realistische Erfolgsaussichten auf einen Abschluss erkennen lassen. Studienabbrüche, wiederholte Drittversuche, verspätete Antragstellungen und unkoordinierte Studiengangwechsel ohne Zustimmung der Ausländerbehörde führen regelmäßig zur Versagung des Aufenthaltstitels.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung rechtzeitiger Antragstellung, der Vermeidung von Studienverzögerungen und der engen Auslegung der gesetzlichen Anforderungen an den Aufenthaltszweck. Es mahnt zugleich zu einer sorgfältigen Studienplanung und verdeutlicht, dass das Aufenthaltsrecht auf akademischen Erfolg und nicht auf bloße Anwesenheit ausgerichtet ist.

Für betroffene Studierende, Hochschulen und Beratungsstellen liefert die Entscheidung eine klare Orientierung: Ohne strukturierte und belegbare Studienfortschritte ist der rechtmäßige Aufenthalt in Deutschland gefährdet. Wer in absehbarer Zeit keinen Abschluss erreichen kann, muss mit der rechtlichen Konsequenz der Ausreisepflicht und einem möglichen Wiedereinreiseverbot rechnen.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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