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Verwaltungsgericht Köln: Fehlende Beratung und intransparente Behördenpraxis bei Aufenthaltserlaubnis nach § 18b AufenthG

Beschluss vom 25.08.2022 – Az. 5 K 1902/22 (rechtskräftig)
Gericht: Verwaltungsgericht Köln – 5. Kammer
Rechtsgebiet: Ausländerrecht / Fachkräfteeinwanderung
Normen: § 18b Abs. 1 AufenthG, § 39 Abs. 2 AufenthG, § 25 VwVfG, § 155 Abs. 4 VwGO, § 153 Abs. 3 VwGO

Sachverhalt

Der Kläger, ein indischer Staatsangehöriger mit deutschem Hochschulabschluss (MA in International Sports and Event Management), beantragte nach § 18b Abs. 1 Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung. Der Antrag wurde jedoch mehrfach aufgrund fehlender Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) abgelehnt.

Obwohl der Kläger mit seinem Arbeitgeber mehrere korrigierte Arbeitsverträge vorlegte – zuletzt mit marktüblichen Konditionen und klarer fachlicher Zuordnung zur Qualifikation –, wurde die Zustimmung der BA wiederholt verweigert. Dies geschah mit wechselnden und teils unzureichend begründeten Argumenten, etwa wegen fehlender Betriebsnummer, angeblich nicht einschlägiger Ausbildung oder widersprüchlicher Stellenbeschreibungen.

Zudem erhielt der Kläger von der zuständigen Ausländerbehörde mehrfach rechtlich unzutreffende Auskünfte, etwa dass die Entscheidungen der Bundesagentur „nicht anfechtbar“ seien und er sie „einfach zu akzeptieren“ habe. Dies führte zu monatelanger Unsicherheit, während der Kläger ohne gültigen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verblieb.

Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Köln stellte mit Beschluss vom 25.08.2022 das Verfahren ein, nachdem die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Dies geschah, nachdem im Juli 2022 doch noch die Zustimmung zur Beschäftigung erteilt worden war – auf Grundlage eines neu formulierten Arbeitsvertrags und einer klaren Tätigkeit als „Sport Business Consultant“.

Rechtliche Bewertung und Einordnung

1. Anwendbarkeit von § 18b Abs. 1 AufenthG

Die Vorschrift erlaubt akademischen Fachkräften, die ihren Hochschulabschluss in Deutschland erworben haben, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur qualifizierten Beschäftigung. Voraussetzung ist u. a. die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 39 Abs. 2 AufenthG.

Das Gericht stellte klar, dass die gesetzlichen Voraussetzungen im konkreten Fall grundsätzlich erfüllt waren. Die ablehnenden Entscheidungen der BA seien rechtlich möglich, aber inhaltlich nicht nachvollziehbar, da weder eine fachliche Ungeeignetheit konkret belegt noch die Tätigkeitsbeschreibung ausreichend gewürdigt worden sei.

2. Zustimmung nach § 39 AufenthG – Bindung an Tatsachenermittlung

Nach § 39 Abs. 2 AufenthG hat die BA zu prüfen, ob

  • die Beschäftigung zu angemessenen Arbeitsbedingungen erfolgt (§ 39 Abs. 2 Nr. 1),

  • die Tätigkeit der Qualifikation entspricht (§ 39 Abs. 2 Nr. 2),

  • ein konkretes, inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt (§ 39 Abs. 2 Nr. 3).

Das Gericht kritisierte, dass die BA keine substantiierte Prüfung vorgenommen, sondern pauschal auf angeblich „fehlende Befähigung“ verwiesen habe. Dabei sei weder belegt worden, inwiefern die Tätigkeit einem Hochschulabschluss nicht entspreche, noch sei erläutert worden, warum die Bezeichnung als „IT-Mitarbeiter“ oder „Sports Consultant“ nicht zum Studienprofil passe.

Zudem sei nach den Anwendungshinweisen des BMI zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz gerade nicht erforderlich, dass die Tätigkeit exakt der Studienrichtung entspricht – eine gewisse Nähe zur Qualifikation genügt.

3. Verletzung von Beratungspflichten (§ 25 VwVfG)

Die Ausländerbehörde verletzte nach Ansicht des Gerichts ihre aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz resultierende Beratungspflicht. Der Kläger erhielt fehlerhafte oder irreführende Auskünfte, etwa dass man Entscheidungen der BA nicht beeinflussen oder rechtlich überprüfen könne. Dies ist rechtlich unzutreffend und verstößt gegen die Pflicht, Antragstellern die rechtlichen Rahmenbedingungen sachlich korrekt zu erläutern.

Zudem wurde es versäumt, auf konkrete Fehler in den eingereichten Unterlagen hinzuweisen – etwa auf die widersprüchlichen Angaben zur Qualifikation („kein Abschluss“ trotz vorliegender Masterurkunden).

4. Verfahrensfehler und Vertrauensschutz

Der Fall belegt, wie unzureichende Kommunikation zwischen Behörden und Antragsteller zu schwerwiegenden Unsicherheiten führen kann – etwa zum Verlust eines Aufenthaltsstatus oder zur drohenden Abschiebung. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass die Verfahren nicht dem rechtsstaatlichen Ideal eines fairen, nachvollziehbaren und transparenten Verwaltungshandelns entsprachen.

Besonders kritisch sei, dass dem Kläger ohne Anhörung ein ablehnender Bescheid mit Abschiebungsandrohung zugestellt wurde, obwohl wesentliche Unterlagen noch ausstanden oder intern gar nicht vorlagen.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil zeigt exemplarisch, welche strukturellen Schwächen im Fachkräfteeinwanderungsverfahren bestehen:

  • Die Entscheidungspraxis der Bundesagentur für Arbeit erscheint uneinheitlich und unzureichend dokumentiert.

  • Die Ausländerbehörden sind verpflichtet, Antragsteller vollständig und zutreffend zu beraten – insbesondere im Kontext hochkomplexer Verfahren wie § 18b AufenthG.

  • Die Einschätzung des Arbeitgebers zur fachlichen Eignung einer ausländischen Fachkraft ist zu berücksichtigen – wie es die Anwendungshinweise des BMI ausdrücklich fordern.

Fazit

Das Verfahren VG Köln – 5 K 1902/22 belegt die Dringlichkeit einer verbesserten, rechtsstaatlich fundierten Fachkräftezuwanderung. Behörden müssen ihre Kommunikation mit ausländischen Antragstellern klar, vollständig und korrekt gestalten. Andernfalls entstehen nicht nur unbillige Härten für die Betroffenen, sondern auch vermeidbare gerichtliche Auseinandersetzungen.

Ablauf beschleunigtes Fachkräfteverfahren
Grafik beschleunigtes Fachkräfteverfahren

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