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Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, 16.04.2024, Az.: 41 K 169/24 V
Ich habe hier bereits des Öfteren über das Verfahren der Erteilung von Schengenvisa und nationalen Visa berichtet. Der mit Abstand größte Grund für Ablehnungen von Schengenvisa (Besuchsvisa bzw. Touristenvisa) ist die fehlende Rückkehrbereitschaft. Um diesen Vorwurf der Botschaft zu entkräften, muss man die soziale, wirtschaftliche und familiäre Verwurzelung gegenüber der Botschaft nachweisen. Diese Thematik war auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens
Die Klägerin begehrte ein Schengen-Visum zu Besuchszwecken.
Die im Jahr 1983 geborene Klägerin war iranische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei. Sie übt keinen Beruf aus. Im Oktober hatte die Klägerin ein Schengen-Visum für sich und ihren Sohn beantragt, um ihre in Deutschland lebende und erkrankte Schwester zu besuchen. Zeitgleich hatte auch ihr iranischer Ehemann ein Schengen-Visum zu Besuchszwecken beantragt. Beide Anträge wurden von der Botschaft wegen fehlender Rückkehrbereitschaft abgelehnt.
Klägerin klagte und hatte die Klageschrift nicht unterschrieben
Gegen die Ablehnungen klagte die Klägerin durch ihre Schwester beim Verwaltungsgericht Berlin mit einer nicht unterschriebenen Klageschrift und argumentierte, dass sie ihre an Krebs erkrankte und in Behandlung befindliche Schwester im Bundesgebiet besuchen und unterstützen wolle. Obwohl ihr Ehemann nach der Ablehnung seines Visumsantrags nicht mehr reisen wolle, wolle sie weiterhin mit ihrem Sohn ins Bundesgebiet reisen. Da sie selbst auch erkrankt sei, sei sie jeden Monat auf eine spezielle medizinische Behandlung und Verabreichung von Medikamenten in der Türkei angewiesen, für die das türkische Versicherungssystem aufkomme
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin
Verwaltungsgericht Berlin urteilte, dass die Klage unzulässig und unbegründet war
Das VG Berlin urteilte nun, dass die Klage sowohl unzulässig als auch unbegründet sei. Ein Remonstrationsverfahren sei vorher nicht durchzuführen gewesen, da das Remonstrationsverfahren einen freiwilligen Rechtsbehelf darstelle, mit Hilfe dessen die Antragstellerin den Sachverhalt und die ablehnende Entscheidung kostenfrei durch die Beklagte überprüfen lassen könne.
Wegen der fehlenden Unterschrift sei die Schriftform nicht gewahrt
Allerdings sei die Klage bereits deswegen unzulässig, weil sie wegen der fehlenden Unterschrift die Schriftform nicht wahre.
Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet.
Die Ablehnung des Visumsantrags der Klägerin sei rechtmäßig gewesen, die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Schengen-Visums noch auf Erteilung eines nationalen Visums oder auf Neubescheidung
Das Visum seit zu Recht wegen fehlender Rückkehrbereitschaft abgewiesen worden
Nach Art. 23 Abs. 4 i.V.m. Art. 21 und Art. 32 Visakodex setze die Erteilung eines Schengenvisums voraus, dass die Antragstellerin in materieller Hinsicht die Einreisevoraussetzungen erfülle und kein Verweigerungsgrund vorliege. Bei der Prüfung des Antrags sei festzustellen, ob die Antragstellerin die Einreisevoraussetzungen erfülle. Danach müsse eine Drittstaatsangehörige u.a. den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und dürfe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Die Auslandsvertretung habe daher bei der Prüfung eines Antrags auf Erteilung eines einheitlichen Visums insbesondere zu beurteilen, ob bei der Antragstellerin das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung bestünde, ob sie eine Gefahr für die Mitgliedstaaten darstelle und ob sie beabsichtige, vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums das Hoheitsgebiet zu verlassen.
Die Klägerin habe versäumt, ihre familiäre, soziale und wirtschaftliche Verwurzelung nachzuweisen
Diese Bestimmung verlange von den zuständigen Behörden nicht, Gewissheit zu erlangen, ob die Antragstellerin beabsichtig, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Sie haben vielmehr festzustellen, ob begründete Zweifel an dieser Absicht bestünden. Zu diesem Zweck hätten sie eine individuelle Prüfung des Antrags vorzunehmen, die zum einen die allgemeinen Verhältnisse im Wohnsitzstaat der Antragstellerin und zum anderen ihre persönlichen Umstände, insbesondere ihre familiäre, soziale und wirtschaftliche Situation, etwaige frühere rechtmäßige oder rechtswidrige Aufenthalte in einem Mitgliedstaat sowie ihre Bindungen im Wohnsitzstaat und in den Mitgliedstaaten berücksichtigen würden.
Gemessen an diesen Maßstäben sei die Entscheidung der Beklagten, das beantragte Visum wegen Zweifeln an der Rückkehrabsicht der Klägerin zu versagen, nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten vorgenommenen Wertungen würden sich als beurteilungsfehlerfrei erweisen. Insbesondere seien sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hätten sich an die allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe gehalten.
Da die Klägerin keinen Job in der Türkei habe, sei sie nicht wirtschaftlich verwurzelt
Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte davon ausgegangen sei, dass die nach eigenen Angaben derzeit nicht berufstätige Klägerin ohne eigenes Einkommen in der Türkei nicht hinreichend wirtschaftlich verwurzelt sei.
Eine familiäre Verwurzelung in der Türkei bestünde auch nicht
Hinsichtlich der familiären Verwurzelung habe die Beklagte zudem beanstandungsfrei gewürdigt, dass besondere familiäre Bindungen im Heimatland der Klägerin nicht vorgetragen worden seien. Zwar lebe der Ehemann der Klägerin in der Türkei. Dieser Umstand begründe aber keine familiäre Verwurzelung der Klägerin in der Türkei, aufgrund derer eine positive Rückkehrprognose zu bejahen sei. Die Beklagte habe beurteilungsfehlerfrei bereits Zweifel an der eigenen Verwurzelung und dem Lebensmittelpunkt des Ehemannes in der Türkei angenommen. Zum einen sei er Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Deutschland und – eigenen Angaben zufolge – in der Türkei nicht berufstätig. Ferner sei sein Aufenthaltstitel für die Türkei zwischenzeitlich abgelaufen. Ob auf seinen Antrag hin ein neuer Aufenthaltstitel bewilligt worden sei, sei nicht bekannt. Zum anderen beabsichtige die Klägerin, gemeinsam mit ihrem minderjährigen Sohn nach Deutschland zu reisen, um hier ihre Schwester zu besuchen. Dass noch weitere Verwandtschaft der Klägerin oder ihres Ehemannes in der Türkei lebe, sei nicht vorgetragen worden. Dementsprechend könne auch der zwischenzeitlich aufgegebene Reisewille des Ehemannes der negativen Rückkehrprognose der Klägerin nicht entgegengehalten werden, da bereits die Aufenthaltsdauer des Ehemannes in der Türkei zweifelhaft erscheine.
Im Ergebnis führe auch der Umstand nicht zu einer abweichenden Entscheidung, dass die Beklagte bei ihre Prognoseentscheidung den Vortrag der Klägerin, sie leide an einer Krankheit, aufgrund derer sie auf eine monatliche Behandlung und Medikamentenverabreichung in der Türkei angewiesen sei, nicht gewürdigt habe. Denn es sei weder dargelegt worden noch ersichtlich, dass die Klägerin die erforderliche medizinische Versorgung nicht in gleicher Weise auch im Bundesgebiet erhalten könne. Aus den eingereichten Unterlagen ergebe sich insbesondere nicht, dass es sich um eine Behandlungsmethode oder um Medikamente handele, die ausschließlich in der Türkei zugelassen seien oder der Klägerin nur dort zur Verfügung stehen.
Sonstige Beurteilungsfehler ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte hat weder allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe missachtet noch sachfremde Erwägungen angestellt oder das anzuwendende Recht (hier: den Visakodex) verkannt.
Quelle: Verwaltungsgericht Berlin
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