Sonderkündigungsrecht bei schwerbehinderten Arbeitnehmern
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Arbeitsrecht
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von: Helmer Tieben

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Die Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern untersteht dem Sonderkündigungsrecht des Sozialgesetzbuches IX. Gem. § 85 SGB IX bedarf die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.

I. Wann liegt eine Schwerbehinderung vor?
Gem. § 2 Abs. 2 SGB IX sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von mindestens 50% vorliegt.
Darüber hinaus können Menschen, die einen Behinderungsgrad von weniger als 50% aber von mindestens 30% haben, gem. § 2 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen durch die Agentur für Arbeit gleichgestellt werden. Diese Gleichstellung soll erfolgen, wenn die behinderte Person aufgrund ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten könnte.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Zustimmung des Integrationsamtes bei einer Behinderung von mindestens 50% auch ohne die behördliche Feststellung der Behinderung nach § 69 SGB IX erforderlich ist. Denn die Feststellung der Behinderung hat in diesem Fall keine konstitutive Wirkung.
Anders liegt es im Falle der Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit. In diesem Fall hat der Bescheid der Agentur für Arbeit konstitutive Wirkung und der Status der Schwerbehinderung wird somit erst durch den Erlass des Bescheides begründet. Die behördliche Gleichstellung wirkt dann auf den Tag des Antragseingangs zurück (§ 68 Abs. 2 S. 2 SGB IX).

Eine weitere Gleichstellung erfolgt gem. § 68 IV SGB IX auch für behinderte Jugendliche und junge Erwachsene während der Zeit einer Berufsausbildung in Betrieben und Dienststellen, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist.
Auch hier erfolgt die Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit und hat konstitutive Wirkung.

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II. Umfang des Kündigungsschutzes
Der Sonderkündigungsschutz des SGB IX besteht auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Kündigung ohne die Kenntnis von der Schwerbehinderung ausgesprochen hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist dann allerdings Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer den Antrag auf Feststellung der Behinderung 3 Wochen vor Kündigungszugang gestellt hat und den Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist (regelmäßig 1 Monat nach Kündigungszugang) über das Vorliegen der Behinderung bzw. über den Antrag bei der Behörde unterrichtet hat.

Die Sonderkündigungsregeln finden gem. § 90 Abs. 2a SGB IX dann keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Integrationsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

Die Fristregelung des § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX verweist auf § 14 Abs. 2 S. 2 und 4, Abs. 5 S. 2 und 5 SGB IX. Ist die Entscheidung über die Feststellung danach ohne Gutachten möglich, soll innerhalb von drei Wochen entschieden werden. Wenn kein Gutachten notwendig ist, soll unverzüglich ein Sachverständiger beauftragt werden, der innerhalb von 2 Wochen ein Gutachten zu erstellen hat.

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Missbrauchsfällen entgegenwirken, bei denen der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung nur gestellt wurde, um in den Genuss des vorläufigen Sonderkündigungsschutzes zu kommen.

Die Regelung des § 90 Abs. 2a SGB IX findet auch auf Arbeitnehmer Anwendung, die schwerbehinderten Arbeitnehmern gleichgestellt sind (BAG, Urteil vom 1. März 2007 – 2 AZR 217/06).

III. Entscheidung des Integrationsamtes
Ist der Arbeitnehmer tatsächlich schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, ist somit die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen.

Kommt eine gütliche Einigung § 87 Abs. 3 SGB IX nicht zustande, entscheidet das Integrationsamt durch Verwaltungsakt. Die Entscheidung hat insofern nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Das Integrationsamt hat somit das Interesse des schwerbehinderten Menschen an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes gegen die Interessen des Arbeitgebers abzuwägen.

Dabei werden neben dem eigentlichen Kündigungsgrund Kenndaten wie Art und Schwere der Behinderung, das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer der Betriebszugehörigkeit aber auch die Größe und die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers in das Ermessen mit einbezogen.

Allgemein verliert der Sonderkündigungsschutz an Intensität, wenn der Kündigungsgrund nicht im Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung steht. So werden schwerbehinderte Arbeitnehmer im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen nicht behinderten Arbeitnehmern nahezu gleichgestellt.

Allerdings ist auch hier im Ermessen zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber bzw. die Behindertenvertretung zur Vermeidung im Vorfeld unternommen haben.

Bei einer ordentlichen Kündigung hat das Integrationsamt die Entscheidung gem. § 88 Abs. 1 SGB IX innerhalb eines Monats vom Tage des Antragseingangs zu treffen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist das Integrationsamt gem. § 91 Abs. 3 SGB verpflichtet, eine Entscheidung innerhalb von 2 Wochen zutreffen, ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt.

Da es sich bei der Zustimmung um einen Verwaltungsakt handelt, kann die jeweils beschwerte Partei gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.

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Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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