Verwaltungsgericht München, 18.05.2017, Az.: M 17 K 17.31269
Sofern ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland angestrebt wird, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über die Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund politischer Verfolgung (Art. 16a Abs. 1 GG) und über die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG. Demnach enthält § 60 AufenthG Regelungen, nach denen ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf. So darf zum Beispiel nach § 60 Abs. 5 AufenthG ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Hierdurch wird die materiellen Garantie der EMRK mit dem deutschen Ausländerrecht verknüpft, sodass ein Abschiebungshindernis besteht, sofern eine Verletzung nach Art. 3 EMRK oder nach einer anderen Norm der EMRK droht.
Liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor, so hat das BAMF nach § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen, sofern dem keine anderweitigen Gründe entgegenstehen. Als Gründe werden unter anderem fehlende Mitwirkung, schwerwiegende Straftaten oder die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland genannt.
In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München ging es nunmehr darum, ob bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestand und ob eine einheitliche Bewertung zu seiner Frau und seinen Kindern zu erfolgen hatte.
Liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor, so hat das BAMF nach § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen, sofern dem keine anderweitigen Gründe entgegenstehen. Zu diesen Gründen zählen unter anderem fehlende Mitwirkung, schwerwiegende Straftaten oder die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München ging es darum, ob bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestand und ob eine einheitliche Bewertung zu seiner Frau und seinen Kindern erfolgen sollte.
Sachverhalt des gerichtlichen Verfahrens:
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste im Dezember 2015 auf dem Landweg gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 16. Juli 2016 stellte er einen Asylantrag und führte dabei aus, dass sein Vater im Oktober 2015 entführt worden sei, jedoch aufgrund des Einschreitens der Polizei kein Lösegeld gezahlt worden sei. Kurz darauf habe die Familie vom Tod des Vaters erfahren. Gleichzeitig sei der Mutter des Klägers gedroht worden, auch ihn zu töten. Außerdem gab der Kläger an, dass sein Sohn an Tuberkulose erkrankt sei.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2017, zugestellt am 17. Januar 2017, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag ab und nannte dabei verschiedene Gründe. Zunächst lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vor. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass seiner Einreise ein persönliches Verfolgungsschicksal zugrunde liege. Die angeführten Ereignisse im Zusammenhang mit der Entführung stellten weder flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal dar. Vielmehr könnten staatliche Stellen bei solchen Bedrohungen Schutz bieten.
BAMF sah weder Asyl noch subsidiären Schutz noch Abschiebungsverbote
Ebenso bestünde kein Anspruch auf subsidiären Schutz oder ein Abschiebungsverbot, da nicht ersichtlich sei, dass dem Kläger bei Rückkehr die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche bzw. erniedrigende Bedingungen drohen würden. Es sei vielmehr nicht erkennbar, dass ihm individuelle konfliktbedingte Gefahren drohten. Der Kläger sei ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, der sich zumindest in Afghanistan das Existenzminimum sichern könne. Zudem habe er für die Einreise erhebliche finanzielle Mittel aufgebracht, was auf eine Unterstützung im Herkunftsland hindeute.
Hiergegen legte der Kläger am 25. Januar 2017 beim zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage ein und begehrte die Feststellung, dass er Asylberechtigter bzw. Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 4 AsylVfG sei. Hilfsweise begehrte er die Feststellung eines Abschiebungsverbots. Die Beklagte stellte keinen Antrag.
Kläger klagte auf Zuerkennung von Abschiebungsverboten
Der Kläger führte an, dass seinem Sohn und seiner Ehefrau, die im siebten Monat schwanger war, mit Bescheid vom 8. Dezember 2016 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt worden sei. Darüber hinaus gebe es schwere Kampfhandlungen im gesamten Stadtgebiet, sodass die Ausführungen der Beklagten die Realität verfehlten.
In der mündlichen Verhandlung nahm der Kläger seine Anträge bezüglich der Asylberechtigung und der Flüchtlingseigenschaft zurück und begehrte lediglich weiterhin die Feststellung eines Abschiebungsverbots.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München:
Die Klage sei zulässig und begründet. Eine Entscheidung hätte im Hinblick auf § 102 VwGO auch ohne Anwesenheit der Beklagtenseite ergehen können.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK liegt ein Abschiebungsverbot vor, wenn ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr liefe, einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Für die Beurteilung seien die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und der Prognosemaßstab maßgeblich (vgl. z.B. VG Lüneburg, Urt. v. 6.2.2017, 3 A 140/16 – juris Rn. 53 m.w.N.). Ein Ausnahmefall könnte im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bei einer allgemeinen Gewalt im Herkunftsland vorliegen, sofern extreme Gewalt und schlechte humanitäre Bedingungen bestehen. Ein solcher Ausnahmefall könnte nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs insbesondere bei einer Familie mit minderjährigen Kindern gegeben sein (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 21.11.2014 – 13 a B 14.30285).
Gericht sah grundrechtlichen Schutz als gegeben an, da man von einer einheitlichen Familienrückreise ausgehen müsse
Ein Ausnahmefall sei bei dem Kläger anzunehmen. Er habe neben seiner Frau auch zwei kleine Kinder, die er versorgen müsse. Der Kläger könne bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nicht als alleinstehend betrachtet werden, wie es die Beklagte getan habe. Im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz nach Art. 6 GG müsse von einer einheitlichen Rückreise der gesamten Familie ausgegangen werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 21.11.2014 – 13 a B 14.30285 – juris Rn. 21 m.w.N.). Somit sei er seinen Kindern gegenüber sorge- und unterhaltspflichtig und für ihre gute Versorgung verantwortlich. Eine derartige Versorgung, insbesondere durch Ärzte, sei im Herkunftsland nicht gegeben.
Der Klage sei daher stattzugeben. Bei dem Kläger bestünde ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Quelle: Verwaltungsgericht München
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