Ausländerrecht: Wie Arbeitgeber ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen können

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März 2020 in Kraft trat, und der Reform durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung vom 16. August 2023 („FEG 2.0“) wurden die Regeln zur Erwerbsmigration in mehreren Stufen bis Juni 2024 grundlegend überarbeitet. Ziel ist es, qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten die Zuwanderung zu erleichtern und Verfahren zu beschleunigen.

1. Wer gilt als „Fachkraft“?

Nach § 18 Abs. 3 AufenthG ist Fachkraft, wer über eine qualifizierte Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss verfügt. Relevante Aufenthaltstitel sind insbesondere:

  • Fachkräfte mit Berufsausbildung (§ 18a AufenthG)

  • Fachkräfte mit akademischer Ausbildung (§ 18b AufenthG)

  • Forscherinnen und Forscher (§ 18d AufenthG)

  • Inhaberinnen und Inhaber einer Blauen Karte EU (§ 18g AufenthG)

  • Fachkräfte, die eine Niederlassungserlaubnis nach § 18c AufenthG (insbesondere Abs. 3 für hoch qualifizierte Fachkräfte) anstreben.

Durch FEG 2.0 wurden zusätzliche Zugangswege u.a. über Anerkennungspartnerschaften und berufliche Erfahrung geschaffen (z.B. § 16d, § 19c AufenthG i.V.m. der Beschäftigungsverordnung). Für die praktische Frage, wie eine Fachkraft nach Deutschland einreisen kann, stehen aber nach wie vor zwei zentrale Verfahrenswege im Vordergrund:

  1. das beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG und

  2. das reguläre Visumverfahren über die deutsche Auslandsvertretung.

2. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren nach § 81a AufenthG

2.1 Zweck und Anwendungsbereich

Das beschleunigte Fachkräfteverfahren soll Arbeitgebern und Fachkräften ein planbares und zügiges Einreiseverfahren bieten und stellt eine gesetzlich geregelte Alternative zum regulären Visumverfahren dar. Es kommt in Betracht, wenn die Fachkraft zu einem der folgenden Zwecke einreisen soll (§ 81a Abs. 1 und 5 AufenthG):

  • Berufsausbildung (§ 16a AufenthG)

  • Aufenthalte zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (§ 16d AufenthG)

  • Beschäftigung als Fachkraft mit Berufsausbildung (§ 18a AufenthG)

  • Beschäftigung als Fachkraft mit akademischer Ausbildung (§ 18b AufenthG)

  • Niederlassungserlaubnis für hoch qualifizierte Fachkräfte (§ 18c Abs. 3 AufenthG)

  • Blaue Karte EU (§ 18g AufenthG)

  • sonstige qualifizierte Beschäftigte, etwa bestimmte IT‑Fachkräfte und Spezialisten (§ 19c AufenthG i.V.m. BeschV).

Der Antrag kann nur vom deutschen Arbeitgeber gestellt werden. Voraussetzung ist eine schriftliche Vollmacht der ausländischen Fachkraft; die Fachkraft selbst tritt im Inland im Rahmen des § 81a‑Verfahrens nicht als Antragstellerin auf.

2.2 Familiennachzug

Nach § 81a Abs. 4 AufenthG umfasst das beschleunigte Verfahren auch den Familiennachzug des Ehegatten und der minderjährigen ledigen Kinder, wenn deren Visumanträge in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden. Die Anträge der Familienangehörigen werden dann zusammen mit dem Antrag der Fachkraft beschleunigt geprüft. Durch FEG 2.0 wurden zudem in verschiedenen Konstellationen Erleichterungen beim Familiennachzug zu Fachkräften eingeführt; die konkreten Voraussetzungen hängen vom jeweiligen Aufenthaltstitel und dem Zeitpunkt der Titelerteilung ab.

2.3 Ablauf des beschleunigten Fachkräfteverfahrens

Der Ablauf lässt sich in drei Schritten zusammenfassen:

1. Vollmacht und Vereinbarung
Die Fachkraft bevollmächtigt den Arbeitgeber. Dieser beantragt bei der zuständigen Ausländerbehörde am Ort der Betriebsstätte das beschleunigte Fachkräfteverfahren. Mit der Behörde wird eine Vereinbarung nach § 81a Abs. 2 AufenthG geschlossen, die u.a. Vollmachten, vorzulegende Nachweise, Fristen sowie die Mitwirkungspflichten nach § 82 Abs. 1 S. 1 AufenthG regelt. Häufig wird die Ausländerbehörde zugleich ermächtigt, das Anerkennungsverfahren für die ausländische Qualifikation einzuleiten und zu betreiben.

2. Prüfung im Inland und Vorabzustimmung
Die Ausländerbehörde fungiert als zentrale Schnittstelle: Sie prüft die im Inland zu klärenden Erteilungsvoraussetzungen, leitet ggf. Anerkennungs- oder Zeugnisbewertungsverfahren ein, holt die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ein und bereitet die sogenannte Vorabzustimmung zur Visumerteilung vor. Liegen alle Voraussetzungen vor, erteilt sie diese Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 und 4 AufenthV und hinterlegt sie im Ausländerzentralregister. Gleichzeitig wird die zuständige Auslandsvertretung über die bevorstehende Visumantragstellung informiert.

3. Visumantrag bei der Auslandsvertretung
Auf Grundlage der Vorabzustimmung beantragt die Fachkraft das nationale Visum (D‑Visum) bei der deutschen Botschaft oder dem Konsulat. Im beschleunigten Fachkräfteverfahren ist die Auslandsvertretung an verkürzte Fristen gebunden: Sie soll innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Terminanfrage einen Vorsprachetermin anbieten und den vollständigen Antrag in der Regel binnen weiterer drei Wochen entscheiden (§ 31a Abs. 1 und 2 AufenthV).Die endgültige Entscheidung über das Visum trifft gleichwohl die Auslandsvertretung.

2.4 Gebühren

Für die Durchführung des beschleunigten Fachkräfteverfahrens erhebt die Ausländerbehörde nach § 47 Abs. 1 Nr. 15 AufenthV eine Gebühr in Höhe von 411,00 EUR. Für das nationale Visum werden darüber hinaus in der Regel 75,00 EUR Visumgebühren nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 AufenthV erhoben. Zusätzlich fallen häufig Kosten für Übersetzungen, Beglaubigungen und Anerkennungsverfahren an.

Ablauf beschleunigtes Fachkräfteverfahren
3. Das reguläre Visumverfahren über die Auslandsvertretung

Unabhängig vom beschleunigten Fachkräfteverfahren bleibt das „normale“ Visumverfahren über die Auslandsvertretung der Standardweg, um Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Es bietet sich vor allem an, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht oder wenn die zusätzliche Gebühr und der organisatorische Aufwand des § 81a‑Verfahrens nicht erforderlich erscheinen.

Ausgangspunkt ist auch hier regelmäßig ein konkreter Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Stellenangebot, das die Voraussetzungen des gewünschten Aufenthaltstitels erfüllt (z.B. § 18a, § 18b oder § 18g AufenthG). Der Arbeitgeber unterstützt bei der Anerkennung der Qualifikation und der Zusammenstellung der Unterlagen; die Fachkraft beantragt das nationale Visum jedoch selbst bei der zuständigen deutschen Botschaft oder dem Konsulat.

Seit 2025 können nationale Visa für viele Aufenthaltszwecke digital über das Auslandsportal des Auswärtigen Amtes beantragt werden; ergänzend bleibt die klassische Antragstellung in Papierform möglich. In beiden Fällen ist eine persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung (Identitätsfeststellung, biometrische Daten) erforderlich. Gesetzlich vorgegebene Entscheidungsfristen gibt es im regulären Verfahren nicht; die Bearbeitungsdauer hängt von der jeweiligen Auslandsvertretung und der Vollständigkeit der Unterlagen ab und reicht in der Praxis von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten. Eine freiwillige Vorabzustimmung der Ausländerbehörde kann das Verfahren beschleunigen, ist aber nicht zwingende Voraussetzung.

Zum 1. Juli 2025 wurde das bisherige Remonstrationsverfahren gegen ablehnende Visumsentscheidungen abgeschafft. Gegen eine Versagung des Visums bleibt daher grundsätzlich nur der Klageweg zu den Verwaltungsgerichten.

3.1 Verhältnis zum beschleunigten Fachkräfteverfahren

Das beschleunigte Fachkräfteverfahren ersetzt das reguläre Visumverfahren nicht, sondern ergänzt es. Ob der Arbeitgeber den Weg über § 81a AufenthG wählt, ist eine strategische Entscheidung:

  • Bei dringendem Personalbedarf und angespannten Terminsituationen an der Auslandsvertretung kann das beschleunigte Verfahren sinnvoll sein.

  • Bei ausreichendem zeitlichen Vorlauf ist häufig das reguläre Verfahren – ohne zusätzliche Gebühr – ausreichend.

In beiden Varianten ist eine sorgfältige Vorbereitung der Unterlagen entscheidend, um Nachforderungen und Verzögerungen zu vermeiden.

4. Besonderheiten bei der Blauen Karte EU (kurzer Überblick)

Die Blaue Karte EU ist seit der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/1883 in § 18g AufenthG geregelt und richtet sich an hochqualifizierte Fachkräfte mit akademischer oder vergleichbarer Qualifikation. Sie kann sowohl im beschleunigten Fachkräfteverfahren als auch im regulären Visumverfahren beantragt werden.

Wesentlich ist – neben der Qualifikation – ein bestimmtes Mindestgehalt. Für das Jahr 2025 gelten u.a. folgende Werte:

  • Standardfall: mindestens 48.300 EUR brutto jährlich (50 % der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung),

  • Mangelberufe und bestimmte Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger: mindestens 43.759,80 EUR brutto jährlich (45,3 % der Beitragsbemessungsgrenze).

Die Gehaltsschwellen werden jährlich angepasst und sollten bei der Vertragsgestaltung stets aktuell überprüft werden.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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Helmer Tieben

Ich bin Helmer Tieben, LL.M. (International Tax), Rechtsanwalt und seit 2005 bei der Rechtsanwaltskammer Köln zugelassen. Ich bin auf Mietrecht, Arbeitsrecht, Migrationsrecht und Digitalrecht spezialisiert und betreue sowohl lokale als auch internationale Mandanten. Mit einem Masterabschluss der University of Melbourne und langjähriger Erfahrung in führenden Kanzleien biete ich klare und effektive Rechtslösungen. Sie können mich auch über
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