Familiennachzug abgelehnt: Verwaltungsgericht Berlin entscheidet zum Elternnachzug – Was Visumsantragsteller jetzt wissen müssen

Das Thema Familiennachzug beschäftigt viele Familien mit Angehörigen im Ausland. Besonders schwierig ist es, wenn Eltern im Alter zu ihren volljährigen Kindern nach Deutschland ziehen möchten. Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil vom 2. April 2025 (Az. 28 K 266/23 V) klargestellt, wie hoch die Hürden in solchen Fällen tatsächlich sind – und was es mit den neuen Privilegien für Eltern von Fachkräften auf sich hat. Ein Fall, der für viele Antragsteller und ihre Familien relevant ist.

Der Fall: Was war passiert?

Eine indische Staatsangehörige wollte ein nationales Visum für den Familiennachzug zu ihrem erwachsenen Sohn, der inzwischen deutscher Staatsbürger ist. Die Frau lebt allein in Indien, ihre Kinder leben samt Familien in Deutschland. Sie leidet unter altersbedingten Erkrankungen und zeigte auch erste Symptome einer Demenz. Die Mutter argumentierte, dass sie auf familiäre Unterstützung angewiesen sei und entsprechende Hilfe in Indien nicht ausreichend vorhanden sei. Das deutsche Konsulat lehnte den Antrag ab – ihrer Ansicht nach lagen keine außergewöhnlichen Gründe vor, die ein Visum rechtfertigen würden.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin

Das Gericht bestätigte die Ablehnung des Visumantrags. Nach Auffassung der Richter liegt kein Anspruch auf Familiennachzug vor, weil keine „außergewöhnliche Härte“ im Sinne des Aufenthaltsgesetzes vorliegt. Die Klägerin könne mit der Unterstützung von Bekannten und gelegentlicher Hilfe ihren Alltag in Indien weiterhin selbständig bestreiten. Professionelle Pflege sei im Herkunftsland grundsätzlich möglich. Auch die Tatsache, dass sie an typischen Alterskrankheiten leidet, reiche für sich genommen nicht aus.

Außerdem hilft der Verweis auf die neue gesetzliche Regelung für den Nachzug von Eltern ausländischer Fachkräfte (§ 36 Abs. 3 AufenthG) nicht weiter. Diese gilt nur für Eltern von Personen, die ab dem 1. März 2024 erstmals als Fachkraft nach Deutschland eingereist sind und einen bestimmten Aufenthaltstitel haben. Das traf im Fall der Klägerin nicht zu, weder bei ihrem Sohn (deutscher Staatsbürger) noch bei ihrer Tochter (Aufenthaltstitel vor dem Stichtag).

Warum das Gericht so entschieden hat – und was das rechtlich bedeutet

Entscheidend war für das Verwaltungsgericht Berlin, dass der Familiennachzug zu volljährigen Kindern grundsätzlich die Ausnahme ist. Die Hürde der „außergewöhnlichen Härte“ ist bewusst sehr hoch angesetzt. Es genügt nicht, dass altersübliche Erkrankungen vorliegen oder der Alltag schwerfällt. Nur wenn ein eigenständiges Leben im Herkunftsland praktisch unmöglich ist und die notwendige Unterstützung zwingend durch das Kind in Deutschland erfolgen muss, besteht überhaupt eine Chance auf ein Visum. Das war hier nicht der Fall.

Die neue Privilegierung für Eltern bestimmter Fachkräfte führt zwar zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Eltern deutscher Staatsbürger, ist nach Ansicht des Gerichts aber (noch) gerechtfertigt. Der Gesetzgeber darf gezielt Anreize für dringend benötigte Fachkräfte setzen und dazu auch Stichtagsregelungen schaffen, solange ein sachlicher Grund vorliegt – in diesem Fall die Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Das Gericht macht außerdem deutlich: Weder die allgemeine Lebenssituation noch der Wunsch, den Lebensabend bei den Kindern zu verbringen, reichen für einen Anspruch aus. Auch EU-Richtlinien bieten in diesem Fall keine weitergehenden Rechte.

Was bedeutet dieses Urteil für Antragsteller und Familien?

Wer als Elternteil zu einem volljährigen Kind nach Deutschland nachziehen möchte, sollte wissen: Die gesetzlichen Hürden sind sehr hoch. Wer einen Visumantrag stellen will, sollte genau prüfen, ob wirklich eine außergewöhnliche Härtesituation vorliegt. Dazu gehören in der Regel gravierende gesundheitliche Einschränkungen, die ein eigenständiges Leben im Herkunftsland unmöglich machen, und die Notwendigkeit, dass gerade das Kind in Deutschland die Pflege übernehmen muss. Ärztliche Nachweise müssen detailliert und überzeugend sein.

Ein Verweis auf die neuen Erleichterungen für Eltern von Fachkräften hilft nur, wenn alle Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind – insbesondere der richtige Stichtag und der passende Aufenthaltstitel. Eltern von Deutschen oder bereits länger in Deutschland lebenden Fachkräften profitieren nicht von dieser neuen Regelung.

Wer eine Ablehnung erhält, sollte die Erfolgsaussichten einer Klage realistisch einschätzen. Die Gerichte legen die Kriterien sehr streng aus. Im Zweifel ist eine anwaltliche Beratung sinnvoll, um unnötige Kosten und Enttäuschungen zu vermeiden.

Fazit

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt, wie eng der Rahmen für den Elternnachzug gezogen ist. Altersübliche Einschränkungen und verständliche familiäre Wünsche reichen für ein Visum nicht aus. Die Politik setzt derzeit auf gezielte Anreize für neue Fachkräfte – und nimmt dabei in Kauf, dass andere Familien benachteiligt werden. Wer einen Antrag stellen möchte, sollte sich frühzeitig beraten lassen und sehr genau dokumentieren, warum der eigene Fall tatsächlich außergewöhnlich ist.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

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