Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. Mai 2025 – 2 E 16/25
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Januar 2025 – 2 K 645/24 – wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Sachverhalt
Die Klägerin stellte am 22. Dezember 2023 zunächst einen Antrag auf Einbürgerung, irrtümlich bei einer nicht zuständigen Stelle (C-Stadt). Nachdem sie darüber informiert wurde, reichte sie ihren Antrag am 29. Dezember 2023 beim zuständigen Landkreis C. ein. Der Landkreis teilte ihr mit, dass aufgrund hoher Antragszahlen mit längeren Wartezeiten zu rechnen sei und sie auf Platz 645 von 757 der Warteliste stehe. Am 24. April 2024 erfolgte ein persönlicher Beratungstermin beim Landkreis, in dessen Rahmen Zweifel an ihrer eigenständigen wirtschaftlichen Unterhaltsfähigkeit aufgrund ihrer zeitlich befristeten Teilzeitbeschäftigung geäußert wurden.
Der Antrag wurde am 15. Mai 2024 an den zuständigen Beklagten weitergeleitet. Am 24. Mai 2024 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Untätigkeitsklage, da bislang keine Entscheidung über ihren Antrag erfolgt war. Der Beklagte beantragte daraufhin die Aussetzung des Verfahrens bis August 2025, mit der Begründung, aufgrund erheblich gestiegener Antragszahlen sei mit einer Bearbeitung nicht vor Juni 2025 zu rechnen.
Hintergrund der Untätigkeit
Der Beklagte erläuterte umfassend, dass seit dem Jahr 2022 eine erhebliche und nicht vorhersehbare Steigerung der Einbürgerungsanträge zu verzeichnen sei. In Reaktion darauf habe der Beklagte zahlreiche organisatorische und personelle Maßnahmen eingeleitet. Unter anderem wurden neue Mitarbeiter eingestellt, zusätzliche Stellen ausgeschrieben und interne Abläufe optimiert. Trotzdem bestehe aufgrund der hohen Anzahl von Neuanträgen weiterhin ein Rückstand, der nur schrittweise abgearbeitet werden könne.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht setzte das Verfahren aus und setzte dem Beklagten eine Frist zur Entscheidung bis zum 30. Juni 2025. Es stellte fest, dass aufgrund der außergewöhnlichen Belastungssituation der Behörde zureichende Gründe im Sinne von § 75 Satz 3 VwGO für die Verzögerung vorlägen. Die Klägerin habe zudem keine besondere Dringlichkeit vorgetragen, die eine bevorzugte Bearbeitung ihres Antrags rechtfertigen würde.
Gründe der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vollumfänglich. Der Senat hielt fest, dass gemäß § 75 Satz 3 VwGO zureichende Gründe vorliegen, die eine längere Bearbeitungsdauer rechtfertigen.
Insbesondere unterstrich der Senat die außerordentliche Steigerung der Antragszahlen seit dem Jahr 2022, die für den Beklagten nicht vorhersehbar gewesen sei. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte substantielle Maßnahmen zur Bewältigung der Überlastung nachweisen konnte, die allerdings aufgrund ihrer Komplexität und des erheblichen Zeitbedarfs nur schrittweise Wirkung zeigten.
Weiterhin wurde festgestellt, dass kein strukturelles Organisationsdefizit bei der Behörde vorliege, da kontinuierlich Maßnahmen zur Optimierung und Personalaufstockung getroffen worden seien. Die Klägerin habe darüber hinaus keine spezifischen Gründe vorgetragen, die eine besondere Dringlichkeit ihres Einbürgerungsverfahrens begründen könnten.
Rechtliche Einordnung
Der Senat führte aus, dass nach Art. 19 Abs. 4 GG zwar ein Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz besteht, dies jedoch keine festen zeitlichen Grenzen für behördliche Entscheidungen beinhaltet. Vielmehr müsse die Angemessenheit der Verfahrensdauer individuell betrachtet werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Umstände wie außergewöhnliche Belastung der Behörde und den konkreten Maßnahmen zur Abhilfe.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil zeigt deutlich, dass Behörden, die von einer nicht vorhersehbaren, außergewöhnlichen Arbeitsbelastung betroffen sind, unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt sind, Verzögerungen in der Bearbeitung von Anträgen hinzunehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Maßnahmen zur strukturellen Optimierung und personellen Verstärkung klar nachgewiesen werden.
Für Antragsteller bedeutet dies, dass sie eine Bearbeitung in der Reihenfolge ihres Antragseingangs akzeptieren müssen, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Antragsteller sollten daher stets bemüht sein, etwaige Dringlichkeitsgründe nachvollziehbar und konkret vorzubringen.
Fazit
Behörden müssen auf unvorhergesehene Belastungen mit strukturellen Anpassungen reagieren, um Verzögerungen zu legitimieren. Gleichzeitig besteht kein genereller Anspruch der Antragsteller auf sofortige Bearbeitung, wenn außergewöhnliche Umstände nachvollziehbar und hinreichend belegt vorliegen. Die gerichtliche Aussetzung einer Entscheidung ist somit legitim und gerechtfertigt, wenn geeignete organisatorische Maßnahmen nachgewiesen werden können.
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