Die europäische und auch die deutsche Wirtschaft sind weiterhin auf hoch qualifiziertes Personal aus dem Ausland angewiesen. Gerade in Bereichen wie Digitalisierung, IT‑Sicherheit, Künstlicher Intelligenz oder spezialisierter Forschung ist der Bedarf an Fachkräften höher, als er durch das inländische Ausbildungs- und Hochschulsystem gedeckt werden kann; der demografische Wandel verstärkt diesen Trend zusätzlich.
Um diesem Fachkräftemangel zu begegnen, wurde auf europäischer Ebene eine einheitliche Regelung geschaffen: die Blaue Karte EU. Sie orientiert sich an der US‑amerikanischen „Greencard“ und ist ein Aufenthaltstitel für hoch qualifizierte Beschäftigte aus Drittstaaten. Das Blau knüpft an die blaue Europaflagge an und unterstreicht den europäischen Charakter der Regelung.
Was ist die Blaue Karte EU?
Die Blaue Karte EU ist eine Plastikkarte im Scheckkartenformat und dient als offizieller Nachweis einer Aufenthaltserlaubnis für besonders qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Sie ist zugleich Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis und ermöglicht die Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung in dem Mitgliedstaat, der sie ausstellt.
In Deutschland ist die Blaue Karte EU in § 18g Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt; ergänzend gelten die allgemeinen Bestimmungen zur Fachkräfteeinwanderung in § 18 AufenthG. Die Blaue Karte EU wird von den teilnehmenden EU‑Mitgliedstaaten erteilt, sodass sich die konkreten Voraussetzungen je nach Land etwas unterscheiden können. Nicht alle EU‑Staaten machen mit: Dänemark und Irland haben die entsprechende EU‑Richtlinie nicht umgesetzt.
Wie bekommt man die Blaue Karte EU in Deutschland?
Im Folgenden werden die Voraussetzungen bei Antragstellung in Deutschland dargestellt. Kernzielgruppe sind Fachkräfte mit akademischer Ausbildung, also Personen mit einem deutschen Hochschulabschluss oder einem anerkannten bzw. einem deutschen Abschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss.
Die Blaue Karte EU wird zum Zweck einer der Qualifikation angemessenen inländischen Beschäftigung erteilt. Die Tätigkeit muss also zur Qualifikation passen („qualifikationsadäquate Beschäftigung“). Ein studierter Informatiker soll zum Beispiel als Entwickler, IT‑Consultant oder in einer vergleichbar qualifizierten Position und nicht als ungelernte Hilfskraft arbeiten. Zum Nachweis ist ein Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage vorzulegen; außerdem muss das konkrete Arbeitsplatzangebot eine Beschäftigungsdauer von mindestens sechs Monaten vorsehen.
Für die „normale“ Blaue Karte EU nach § 18g Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Sobald abgesenkte Gehaltsschwellen genutzt werden, ist dagegen eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vorgesehen.
Welche Arten der Blauen Karte EU gibt es?
§ 18g AufenthG knüpft im Wesentlichen an drei Faktoren an: Qualifikation, Berufsgruppe und Gehalt.
• klassische Blaue Karte („Regelberufe“):
Fachkräfte mit akademischer Ausbildung erhalten eine Blaue Karte EU, wenn sie eine qualifikationsadäquate Beschäftigung ausüben und ein Gehalt von mindestens 50 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung erzielen. Stand 2025 entspricht dies einem jährlichen Mindestbruttogehalt von rund 48.300 EUR; der genaue Betrag wird jährlich durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat bekannt gemacht.
• abgesenkte Gehaltsschwelle von 45,3 %:
Eine niedrigere Gehaltsschwelle gilt in drei Konstellationen:
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Mangelberufe: bestimmte Berufsgruppen nach der ISCO‑08‑Klassifikation, in denen besonderer Fachkräftemangel herrscht, z. B. zahlreiche MINT‑Berufe sowie Gesundheits‑, Pflege- und Bildungsberufe.
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Berufsanfänger: wer seinen letzten Hochschul- oder gleichwertigen Abschluss nicht länger als drei Jahre vor Antragstellung erworben hat, kann in qualifikationsadäquaten Berufen die abgesenkte Schwelle nutzen („Blaue Karte für Berufsanfänger“).
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bestimmte IT‑Fachkräfte ohne formalen Abschluss: wer keinen akademischen oder gleichwertigen tertiären Abschluss besitzt, aber mindestens drei Jahre einschlägige Berufserfahrung in den letzten sieben Jahren in einem IT‑Beruf der ISCO‑Gruppen 133 oder 25 (IT‑Management bzw. IT‑Professionals) vorweisen kann, kann ebenfalls eine Blaue Karte EU erhalten.
In allen Fällen der abgesenkten Gehaltsschwelle ist eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich. Stand 2025 liegt das erforderliche Jahresbruttogehalt hier bei ca. 43.759,80 EUR.
• tertiäre Bildungsprogramme:
Neu ist, dass die Blaue Karte EU nicht mehr nur an klassische Hochschulabschlüsse anknüpft. Erfasst werden auch Fachkräfte, die ein mindestens dreijähriges tertiäres Bildungsprogramm mit einem Hochschulabschluss gleichwertigem Niveau abgeschlossen haben, etwa bestimmte technische oder kaufmännische Fortbildungen, Meisterprüfungen sowie pädagogische oder therapeutische Qualifikationen. Diese Personengruppe wird wie Fachkräfte mit akademischer Ausbildung behandelt und kann – je nach Berufsgruppe – die normale oder die abgesenkte Gehaltsschwelle nutzen.
Damit gibt es – neben der „klassischen“ Blauen Karte – faktisch:
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eine Blaue Karte für Mangelberufe,
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eine Blaue Karte für Berufsanfänger und
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eine Blaue Karte für bestimmte IT‑Fachkräfte ohne Studium,
sowie die Ausweitung auf hochwertige tertiäre Berufsabschlüsse.
Allgemeine Voraussetzungen
Nicht nachgewiesen werden müssen für die Erteilung der Blauen Karte EU bestimmte Deutschkenntnisse. Ein formeller Sprachnachweis ist also keine Erteilungsvoraussetzung.
Daneben gelten – wie bei anderen Aufenthaltstiteln – die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Die Blaue Karte EU wird nur ausgestellt, wenn insbesondere
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der Lebensunterhalt gesichert ist,
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die Identität geklärt ist,
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ein gültiger Pass vorliegt,
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die Einreise nach Deutschland mit einem passenden Visum erfolgt ist (soweit ein Visum erforderlich war),
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die maßgeblichen Angaben bereits im Visumsantrag gemacht wurden und
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kein Ausweisungsinteresse besteht.
Zusätzlich dürfen keine Ablehnungsgründe nach § 19f AufenthG vorliegen, etwa bei bestimmten Konstellationen von vorübergehendem Schutzstatus, ausgesetzter Abschiebung oder bereits bestehendem Daueraufenthaltsrecht in einem anderen EU‑Staat. Praktisch bedeutet dies, dass insbesondere viele Geflüchtete oder Personen mit rein vorübergehenden Aufenthaltsrechten typischerweise keine Blaue Karte EU erhalten. Saisonarbeitskräfte sind zudem in der Regel mit einem speziellen, von vornherein befristeten Aufenthaltstitel tätig, so dass die Blaue Karte EU für sie regelmäßig nicht in Betracht kommt.
Wo beantragt man die Blaue Karte EU?
Beantragt werden muss die Blaue Karte EU bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde. Erfolgt die Einreise nach Deutschland mit einem Visum, ist die Blaue Karte EU vor Ablauf des Visums zu beantragen. Falls es zur Einreise nach Deutschland keines Visums bedurfte (z. B. für Staatsangehörige der USA, Kanadas, Japans oder bestimmter weiterer Staaten), muss die Blaue Karte EU vor Beginn der Arbeitstätigkeit bei der Ausländerbehörde beantragt werden; die Beschäftigung darf erst aufgenommen werden, wenn die Blaue Karte EU erteilt ist.
Wie lange ist die Blaue Karte EU gültig?
Gemäß § 18 Abs. 4 AufenthG wird die Blaue Karte EU bei erstmaliger Erteilung für höchstens vier Jahre erteilt. Bei einem kürzer befristeten Arbeitsvertrag wird sie für die Dauer des Arbeitsvertrags zuzüglich drei Monaten erteilt, jedoch ebenfalls maximal für vier Jahre.
Für den Arbeitsplatzwechsel gilt: Abweichend von § 4a Abs. 3 Satz 4 AufenthG ist für den Wechsel des Arbeitgebers keine vorherige Erlaubnis der Ausländerbehörde mehr erforderlich. In den ersten zwölf Monaten nach Aufnahme der Beschäftigung kann die Ausländerbehörde den Wechsel jedoch für bis zu 30 Tage aussetzen und in diesem Zeitraum ablehnen, wenn die Voraussetzungen für die Blaue Karte EU im neuen Arbeitsverhältnis nicht (mehr) erfüllt sind.
Vorteile der Blauen Karte EU: Niederlassungserlaubnis und Familiennachzug
Mit einer Blauen Karte EU haben Inhaberinnen und Inhaber es leichter, eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland zu erhalten. Nach derzeitiger Rechtslage kann bereits nach 27 Monaten qualifizierter Beschäftigung und Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen eine Niederlassungserlaubnis beantragt werden, wenn einfache Deutschkenntnisse (Niveau A1 GER) nachgewiesen werden. Bei Deutschkenntnissen auf Niveau B1 verkürzt sich die Frist auf 21 Monate.
Auch im Rahmen des Familiennachzugs bestehen Erleichterungen: Ehepartnerinnen und Ehepartner erhalten in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis ohne vorherigen Sprachnachweis und mit sofortiger, uneingeschränkter Arbeitserlaubnis. Für Kinder gelten großzügige Nachzugsmöglichkeiten.
Wichtiger Hinweis
Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen. Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auf die Rechtslage in Deutschland zum Zeitpunkt November 2025 und können eine individuelle Prüfung Ihres konkreten Einzelfalls nicht ersetzen.
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